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Runter kommt man immer – Abheben im Rollstuhl

■ Gestern zeigten RollifahrerInnen sich und der Presse Nachteile der neuen Schlachte

Schnoor – voll wie immer. Plötzlich teilt sich die Masse der Touris im sandfarbenen Freizeitdress. Durch die Menschenschlucht holpern sechs RollstuhlfahrerInnen über die Kopfsteine. Die Touris glotzen, manche lächeln. „Psychostress“, sagt Rollstuhlfahrerin Silke Schwarz.

Welche Ärgernisse Menschen im Rolli außerdem hinzunehmen haben, das demonstrierte gestern der kleine Rolltrupp im Rahmen des Kongresses „Enthinderungen“ im Schnoor und an anderen Orten der Innenstadt. Zum Programm gehörte das oft schmerzhafte Kopfsteinpflaster, die Schwierigkeiten mit den Bordsteinen der Domsheide, Grenzen setzende Treppen. Was nichts Neues ist. Neu aber ist die Schlachte. Neu und nicht überall rollstuhlgerecht. Beispiel: Die Rampe zum Martinianleger. Zu steil für Rollifahrer. „Runter kommt man immer“, sagt Martin Botter vom Verein Selbstbestimmt leben, „irgendwie.“ Aber dann kommt man so schnell nicht wieder hoch. Die nächste Rampe steht erst weit hinter der Bürgermeister-Schmidt-Brücke.

Gegenüber der Martinirampe dann die Osteria. Drei Treppen links, drei rechts, „sieht schön aus“, meint Rollstuhlfahrerin Sabine Hübner. Keine Rampe – für sie gewohnt: „Bauliche Gegebenheiten halten mich davon ab, dort hinzugehen, wo andere auch hingehen.“ Das muss sie organisieren.

Es geht auf Mittag zu, was essen? „Wie ist es mit dir, musst du auf Toilette“, fragt Martin Botter in Richtung Silke Schwarz. Mal aufs Klo gehen – Fehlanzeige. Es gibt hier keine Behindertentoiletten.

Schick sind auch diese kleinen Emporen, auf denen der Touritrinker erhöht sitzt. Dumm nur: Auf der einen Seite kommen Rollis zwar rauf, ist die Kante abgeflacht, aber dann lange nicht mehr. Das bedeutet Umwege.

Die Teerhofbrücke. Samt Aufzug extra für Menschen im Rollstuhl. Es geht rauf und runter, und die Teerhofbrücke ist wunderbar neu, und die Touristen lächeln wunderbar nett, und die Steigung ist wieder zu steil. Silke Schwarz kommt rauf auf den Sattel, Sabine Hübner auch, und Martin Botter stemmt sich Meter für Meter rückwärts hoch. Anders herum würde er nach hinten kippen. Der Rückweg hat es in sich, denn der Brückenasphalt mündet unmittelbar in die breite Treppe. Hübner, Schwarz und Botter witzeln über den Rollstuhl mit Flügeln, dem Symbol des Kongresses. Wäre doch eine prima Abfahrt, sagt Silke Schwarz: „Mit Karacho ins Café.“ sgi

„Enthinderungen“ läuft noch heute in der Glocke, Details stehen hinten im Programmteil.

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