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Nur der Kampf gegen Kriegsminister eint die Jusos

Ein kleines Godesberg der Jusos hätte es werden können. Die SPD-Jugend wollte „neue Zeiten denken“. Doch die Strategiedebatte wurde vertagt

BERLIN taz ■ Der angekündigte Aufbruch in „neue Zeiten“ war es nicht. Es kam vielmehr so, wie es wohl kommen muss, wenn sich 300 zerstrittene Jusos drei Tage lang in einer engen, stickigen Kongresshalle einsperren: Die Delegierten der SPD-Jugendorganisation ergingen sich in teilweise absurden Schlammschlachten. Auf eine Strategie für die Zukunft einigten sie sich nicht.

Juso-Chef Benjamin Mikfeld, der auf dem Bundeskongress innere Reformen und eine Öffnung zur „neuen Mitte“ durchsetzen wollte, musste am Ende froh sein, dass er und sein Konzept nicht in Bausch und Bogen verdammt wurden. Erschöpft von endlosen Debatten, in denen er abwechselnd als „Fähnchen im Wind“ und als „Feudalherrscher“ beschimpft wurde, gab sich Mikfeld mit einem wachsweichen Kompromiss zufrieden: Die Strategiedebatte wurde um ein Jahr vertagt. Mikfeld kleinlaut: Es sei immerhin schön, dass die Mehrheit der Delegierten überhaupt „bereit ist, die künftige Strategie zu diskutieren“.

Vom Antrag des Bundesvorstands für ein Zukunftsprogramm blieb wenig übrig. Entscheidende Passagen wurden gestrichen. Darin hatte der Vorstand gefordert, die Jusos sollten nicht nur bei ihrer „klassischen Klientel verbleiben“. Eine Strategie müsse her, die auch „den modernen, erfolgreichen und materiell abgesicherten Jugendlichen anspricht“. Grund für diese Überlegungen: die enormen Nachwuchsprobleme der Jusos. Nur noch drei Prozent aller Sozialdemokraten sind unter 25. Der Einfluss schwindet. Ein Delegierter vom Mittelrhein klagte: „Die Partei schert es wenig, was wir hier tun.“ SPD-Geschäftsführer Matthias Machnig erklärte die Jusos gar für „politikunfähig“.

Doch bei dem Wort „neue Mitte“ dreht es den meisten der traditionell sozialistisch-feministischen Jusos den Magen herum. Ein Delegierter gab zwar zu, dass „wir nicht zu einer Clique von Studis werden dürfen, die sich im stillen Kämmerlein ausdenkt, wie die Welt sein sollte“ – aber deshalb gleich mit Brokern sprechen? Das geht zu weit. So lehnten es die Delegierten ab, sich auf eine Öffnung festzulegen. Zustimmung gab es nur für Unverbindliches: Ja, es gebe tatsächlich „akuten Handlungsbedarf“ für eine „politische Erneuerung“. Wie diese Erneuerung aussehen soll, blieb offen. In den nächsten Monaten soll auf Regionalkonferenzen weiter diskutiert werden. Ein Godesberg der Jusos findet damit frühestens auf dem nächsten Bundeskongress 2001 statt – wenn überhaupt.

So wenig sich die Jusos auf eine Zukunftsstrategie einigen konnten – bei aktuellen politischen Fragen zeigten sie sich geschlossen. So votierte der Kongress gegen jedwede Form von Studiengebühren, gegen die Rentenreform und gegen die Wehrpflicht. Einmal wurde sogar Mikfeld gefeiert: als er Gastredner Rudolf Scharping vorwarf, am „unbestritten völkerrechtswidrigen“ Kosovo-Krieg beteiligt gewesen zu sein. Der Auftritt des „Genossen Kriegsminister“ am Samstag war überhaupt ein Segen für bis dahin heillos zerstrittenen Jusos. Endlich waren sie sich wieder einig: Eine brave „Regierungsjugend“ sind sie nicht.

LUKAS WALLRAFF

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