: Jagd auf den Wähler
SPD streitet weiter, ob und wie Autofahrer für die Benzinpreise entschädigt werden sollen. Beck besteht auf höherer Kilometerpauschale
BERLIN taz/rtr/dpa ■ Unbeirrt von ihrer Abfuhr im SPD-Präsidium halten die beiden SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Sigmar Gabriel (Niedersachsen) an ihrer Forderung fest, die Kilometerpauschale zu erhöhen. Dies erklärten die beiden gestern in Zeitungsinterviews. Um 15 Pfennig will Beck die jetzige Pauschale von 70 Pfennig pro Kilometer anheben.
Auch der Brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) erklärte gegenüber der Chemnitzer Freien Presse seine Sympathie für den Vorstoß von Beck. Mathias Schubert, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Neue Länder in der SPD-Fraktion, erklärte ebenfalls gegenüber der Freien Presse, als Ausgleich für die gestiegenen Spritpreise gebe es keine Alternative zur Heraufsetzung der Kilometerpauschale.
Doch davon will die SPD-Zentrale nach wie vor nichts wissen. Doch dürfte man dort froh sein, dass durch die SPD-interne Diskussion die Angriffe gegen die Ökosteuer vorerst in den Hintergrund gedrängt wurden. Beck wiederum besteht auf seiner Außenseiterrolle, weil er sich vor den Landtagswahlen im kommenden Jahr nicht noch den ein oder anderen Autofahrer zum Feind machen möchte.
Doch der Vorstoß ist nicht ganz unproblematisch für die Regierung, denn im Koalitionsvertrag war die Umwandlung der Kilometerpauschale nur für Autos in eine so genannte Entfernungspauschale vorgesehen, die unabhängig von dem verwendeten Verkehrsmittel gezahlt werden soll. Dadurch sollen die Bundesbürger motiviert werden, mehr mit Bus und Bahn zu fahren. Doch das würde diese Steuerabschreibung viel teurer machen als bisher, weshalb im Gegenzug eine Absenkung der Pauschale auf 50 Pfennig im Gespräch war. Durch Becks Starrsinn wird ein ohnehin heikles Thema für die Koalition nun noch schwerer zu handhaben.
Derweil hoben gestern die Freien Tankstellen ihren Benzinpreis wie erwartet (siehe taz von gestern) deutlich an: noch über das Niveau der Markenfirmen wie Aral oder Shell auf im Schnitt 2,04 Mark pro Liter Normalbenzin. Diese ungewöhnliche Maßnahme war nötig, weil die Freien die derzeitigen Dumpingpreise nicht mehr durchhalten konnten, bei denen die Tankstellen Verluste von bis zu zehn Pfennig pro Liter machten. Wegen eines Preiskampfes auf dem Tankstellenmarkt waren die internationalen Preissteigerungen beim Rohöl nur zum Teil an die Kunden weitergegeben worden. Vermutlich werden die Markentankstellen nun bald nachziehen. Shell erklärte gestern, im kommenden Jahr möglicherweise einen Teil seiner Tankstellen zu schließen, falls sich der Markt nicht bald beruhige.
MATTHIAS URBACH
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