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Glücksritter aus Franken

Der neue Berliner Polizei-Vizepräsident gilt als Kronprinz für den Stuhl des Polizeipräsidenten

von PLUTONIA PLARRE

Ein Bayer soll es richten. Genauer gesagt ein Franke: Gerd Neubeck, seit knapp drei Monaten Vizepräsident der Berliner Polizei, hat gute Chancen, Polizeipräsident zu werden, wenn Amtsinhaber Hagen Saberschinsky abtritt.

Der lange überfällige Wechsel an der Spitze der Hauptstadtpolizei könnte im kommenden Oktober erfolgen. Möglich ist aber auch, dass Innensenator Eckart Werthebach (CDU) die im Herbst auslaufende Amtszeit Saberschinskys nochmals um ein Jahr verlängert. Das müsste er aber mit dringenden dienstlichen Anforderungen begründen. „Die Entscheidung wird zeitnah zum Oktober getroffen werden“, hält sich Werthebachs Sprecher, Stefan Paris, bedeckt.

In Polizeikreisen herrscht erstaunliche Einigkeit, dass der 48-jährige Neubeck der richtige Mann ist, um die 28.000 Mitarbeiter zählende Behörde zu leiten. Dem aus Nürnberg-Fürth importierten Oberstaatsanwalt ist es in seiner kurzen Amtszeit gelungen, einen ausgesprochen positiven Eindruck zu machen. Und das will schon etwas heißen in einem abgeschotteten Apparat, in dem es Seiteneinsteiger ohne Stallgeruch schwer haben und es auch sonst eine Menge Animositäten und offene Rechnungen gibt.

Seit dem im Frühjahr 1999 aufgeflogenen Skandal um die dilettantischen Ermittlungen der AG RumBa (rumänische Bandenkriminalität) gegen vier Beamte der Raubinspektion des Landeskriminalamtes (LKA) ist das Verhältnis zwischen Kriminal- und Schutzpolizei zerrüttet. Polizeipräsident Saberschinsky wird vorgeworfen, einseitig Partei gegen das LKA ergriffen und die Situation dadurch verschärft zu haben. Schutzpolizei-Chef Gernot Piestert und LKA-Chef Hans-Ulrich Voß gelten als absolut zerstritten.

Neubeck ist parteilos, aber konservativ. Was die Forderung nach einer Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten angeht, befindet er sich ganz auf der Linie von Innensenator Werthebach. Es käme ihm auch nicht in den Sinn, für eine Liberalisierung der Drogenpolitik einzutreten. Der einzige Weg, um den Markt „auszutrocknen“, sei eine gesellschaftliche Ächtung von Drogen, meint er.

Aus seiner Zeit als Oberstaatsanwalt haftet dem Franken der Ruf an, sehr durchsetzungsfähig und hart zu sein, was die Höhe der von ihm beantragten Strafen angeht. „In der Auseinandersetzung war er stets ein ausgesprochen fairer Gegner“, erinnert sich Peter Doll vom Nürnberger Anwaltsverein. In Berliner Polizeikreisen wird Neubecks Fähigkeit gelobt, „ausgezeichnet“ mit Mitarbeitern umgehen zu können. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) preist ihn als „modern, offen und kommunikativ nach allen Seiten“.

Neubeck selbst beschreibt seinen Führungsstil als „kooperativ“. Er schätze es, die Mitarbeiter bei der Entscheidungsfindung einzubinden. „Ich bin kein Mensch, der im Elfenbeinturm sitzen will. Ich muss raus.“

Positiv aufgefallen ist der Neue auch deshalb, weil er sich auf den Kern der Dinge beschränkt. „Er gehört nicht zu den Leuten, die rhetorische Redeschlangen ohne Inhalt über einen ergießen“, sagt ein Beamter trocken.

Nach den Jahren der Dürre wirkt der Neue im Polizeipräsidium wie ein Glücksritter, obwohl er Dinge verkörpert, die in so einer Position eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Polizeipräsident Saberschinsky hat den Ruf eines hinter Aktenbergen verschanzten Oberbuchhalters, der mit großer Distanz zur Basis agiert. Es ist nicht nur die fränkische Mundart und dass er gerne lacht, die Neubeck so umgänglich wirken lässt. Der Mann mischt sich in der Kantine des Landesschutzamtes unters Volk. Saberschinky geht dort nie essen. Zum besseren Kennenlernen trinkt der Vize nach Feierabend mit seinen Untergebenen auch ganz gern mal ein Bier.

Das erste, was Neubeck anforderte, war ein Computer für seinen Schreibtisch. Der Präsident kommt bis heute ohne aus. Die Hauptaufgabe des Vize besteht darin, die Verwaltungsreform bei der Polizei auf den Weg zu bringen. Wenn Saberschinsky auf Reisen ist, leitet sein Vertreter die Tagesgeschäfte.

Dass Neubeck als heimlicher Kronprinz gilt, ist auch der SPD nicht verborgen geblieben. Deren innenpolitischer Sprecher Hans-Georg Lorenz hat den Innensenator deshalb schon vor Wochen zur Rede gestellt. Werthebach habe ihn aber vollkommen im Unklaren gelassen, sagt Lorenz. In Hinblick auf die im Oktober auslaufende Amtszeit von Saberschinsky will Lorenz das Thema „nun schleunigst auf den Tisch der Koalitionspartner“ bringen. Neubeck mache zwar einen sehr kompeteten Eindruck, aber die SPD wolle sich nicht vorzeitig festlegen lassen.

Auch der Innensenator will sich nicht in Karten gucken lassen. „Grundsätzlich ist ein Vizepräsident ein gekorener Präsident“, sagte Werthebachs Sprecher Paris sibyllinisch. „Es gibt aber keine Regel, dass er es immer wird“.

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