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Bei der Rente sehen Frauen alt aus

Die rot-grüne Rentenarbeitsgruppe verwirft das ursprünglich von Arbeitsminister Riester vorgeschlagene Splitting beim „Partnerschaftsmodell“. Bei den Rentenkonsensgesprächen gab es gestern Fortschritte, aber noch keinen Durchbruch

von HEIDE OESTREICHund TINA STADLMAYER

Die Rentengespräche laufen noch, aber verloren haben jetzt schon die Frauen. Nicht nur die private Altersvorsorge ist für Frauen, die in der Regel weniger verdienen als Männer und deshalb auch weniger in eine Privatvorsorge stecken können, ungünstig – jetzt fällt auch die versprochene eigenständige Alterssicherung der Frauen völlig aus. Das geht aus dem Papier der rot-grünen Koalitionsarbeitsgruppe hervor, die auf Vorschlag von Arbeitsminister Walter Riester ein Konzept für eine Rentenstrukturreform erarbeitet und in der vorigen Woche beschlossen hat.

Riester hatte versprochen, dass Frauen in Zukunft wählen könnten zwischen dem gegenwärtigen Modell der Hinterbliebenenrente, bei dem Frauen, die nicht berufstätig sind, keine eigenen Ansprüche haben, und einem Modell, das auch nichtarbeitenden Frauen eine eigene Rente sichert: das so genannte Partnerschaftsmodell sollte die Rentenanwartschaften „splitten“. Stirbt einer der Partner, soll der andere 75 Prozent der Rente bekommen.

Bei der jetzigen Regelung der Hinterbliebenenversorgung bekommt der Verdiener, also meistens der Mann, 100 Prozent, seine Witwe aber nur 60 Prozent seiner Rente. Das „Splitting“ hätte diese Ungerechtigkeit beseitigt. „Jahrelang haben wir über dieses Splittingmodell verhandelt, jetzt verschwindet es heimlich und ohne öffentliche Debatte aus dem Reformkonzept. Das ist skandalös“, meint Gisela Breil, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates.

Ulla Schmidt, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, die das Eckpunktepapier zur Rentenreform mitverfasste, wiegelt ab: „Wenn man die Kozepte durchrechnet, stehen die Frauen mit dem Partnerschaftsmodell oft nicht viel besser da.“ Bei kurzen Ehezeiten wären die gemeinsam erworbenen Anwartschaften viel geringer als beim herkömmlichen Hinterbliebenenmodell, weil letzteres alle Rentenansprüche des Mannes, auch die aus der Zeit vor der Ehe, einrechnet. Gisela Breil vom Frauenrat hält dagegen: „Die Frau fällt doch bei der Hochzeit nicht vom Himmel, die hat vorher doch auch eigene Ansprüche erworben“.

Für den Todesstoß des Splittings ist ohnehin das Beamtenrecht ausschlaggebend. Denn die Modelle der Alterssicherung für Frauen sollten auf jeden Fall übertragbar sein auf die Pensionsansprüche der Beamten. Denen garantiert aber die Verfassung ihre vollen Pensionsansprüche, sie zu teilen wäre demnach verfassungswidrig. Die Frauenorganisationen wollen das allerdings nicht so einfach akzeptieren. Auch in der SPD rumort es, ein Protestschreiben der SPD-Frauen an den Bundeskanzler ist bereits auf dem Weg.

Unterdessen gab es bei den gestrigen Rentenkonsensgesprächen zwischen Regierung und Oppposition zwar einige Fortschritte, aber noch keinen Durchbruch. Die Unionspolitiker erklärten, sie seien nur dann zu einer gemeinsamen Reform bereit, wenn die Regierung beim Rentengipfel am kommenden Dienstag eine steuerliche Entlastung der Privatvorsorge zusage. Finanzminister Hans Eichel wollte sich dazu noch nicht äußern. Statt dessen bezeichnete er als „Quantensprung“, dass jetzt alle bereit seien, sich den Problemen zu stellen. Die Opposition habe der Reform im Grundsatz zugestimmt. Eichel kündigte an, er werde verschiedene Modelle zur Steuerbefreiung „durchrechnen“ lassen. Erst nach der Verabschiedung der Steuerreform im Herbst kenne er alle Daten.

Der Sozialexperte der Union, Horst Seehofer, machte einen Gegenvorschlag. Die steuerliche Freistellung einer Privatvorsorge von 2 Prozent des Bruttolohnes für Zweidrittel der Arbeitgeber würde den Staat 4,4 Milliarden Mark kosten. Dieser Betrag könne bei der Steuerreform eingespart werden, wenn die Veräußerungsgewinne von Banken und Versicherungen nicht, wie geplant, steuerfrei gestellt würden.

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