Patt bei den Wahlen in Montenegro

Die Reformkräfte liegen in der Hauptstadt vorn, die Projugoslawen dagegen in Herceg-Novi. Die Wahl in den beiden Kommunen war auch ein Votum für oder gegen die Unabhängigkeit des Landes. Das Ergebnis stabilisiert den Status quo

aus Split ERICH RATHFELDER

Unentschieden sind die mit Spannung erwarteten Wahlen in zwei Kommunen in Montenegro ausgegangen, bei denen mit 134.000 Menschen etwa ein Drittel aller Wahlberechtigten Montenegros abstimmen konnten. Während das westlich orientierte Reformbündnis „Für ein besseres Leben“ in der Hauptstadt Prodgorica leicht zulegen konnte, meldeten die Presseagenturen positive Zwischenergebnisse für das Wahlbündnis „Für Jugoslawien“ aus der an der kroatischen Grenze liegenden Hafenstadt Herceg-Novi.

Der Kommunalwahlen in beiden Städten gelten als Gradmesser für die Stimmung im Lande. Während das Reformbündnis die Unabhängigkeit des Landes von Jugoslawien anstrebt, will das Wahlbündnis „Für Jugoslawien“ mit allen Mitteln eine Abspaltung verhindern. Letzteres wurde deshalb vom jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević unterstützt.

Die Wahlbeteiligung lag in der Hauptstadt mit 75 bis 80 Prozent der Stimmen relativ hoch, in Herceg-Novi sollen lediglich 70 Prozent der Stimmberechtigten zur Wahl gegangen sein. In Podgorica will das Reformbündnis nach den vorläufigen Ergebnissen 28 von 54 Sitzen und einen Sitz hinzugewonnen haben, in Herceg-Novi hat das Pro-Jugoslawien-Bündnis offenbar 19 von 35 Sitzen im Stadtparlament erhalten.

Angesichts dieser Ergebnisse erscheinen die Stellungnahmen beider Seiten übertrieben. Während der Präsident Montenegros und Kopf der Unabhängigkeitsbewegung, Milo Djukanović, von einem Sieg der Reformkräfte sprach, jubelten auch die Anhänger von Momir Bulatović, dem Chef der Sozialistischen Volkspartei. In dem Bündnis „Für Jugoslawien“ hatten sich die in Montenegro bedeutungslose rechtsradikale Serbische Radikale Partei und die Jugoslawische Linke (JUL), die von der Frau Milošević’, Mira Marković, angeführt wird, angeschlossen. In dem Reformbündnis sind neben Djukanović’ Sozialistischer Demokratischer Partei auch Sozialdemokraten und Parteien der ethnischen Minderheiten vertreten.

Wahlverlierer sind die lautstark die Unabhängigkeit fordernden Liberalen mit rund 6 Prozent der Stimmen. Sie hatten die Wahlen erzwungen, weil sie aus dem Reformbündnis ausgestiegen waren. Offenbar haben die Wähler, so erste Stellungnahmen von Wahlbeobachtern, die Balance in Montenegro halten wollen. Der deutliche Sieg für eine Seite hätte die Spannungen in dem kleinen Bundesstaat Jugoslawiens noch angeheizt.

Das Bündnis „Für Jugoslawien“ hat es offenbar geschafft, seine Wähler zu mobilisieren. Es konnte sich auch auf Stimmen von Flüchtlingen aus Kroatien und Pensionäre aus Serbien sowie einem Teil des Personals der Armee stützen. Dem Reformbündnis dagegen ist es am Sonntag nicht gelungen, die nach Umfragen günstige Stimmung für eine Loslösung von Jugoslawien in dramatische Stimmengewinne umzusetzen.

Nach ersten politischen Bewertungen wird sich trotz der Zusammenstöße zwischen Anhängern beider Seiten in der Wahlnacht die Lage nun etwas beruhigen. Das Patt bei diesen Wahlen stabilisiert zunächst den Status quo und vermindert die Gefahr von bewaffneten Auseinandersetzungen.