: Grüne Welle: Die Straßenbahn kommt
■ In Zukunft wird der ÖPNV an Ampeln bevorrechtigt / Für Fußgänger und Radfahrer ist verkehrspolitisch der Zug längst abgefahren / Autos profitieren von der Neuregelung
Eigentlich wollen alle nur das eine: Grün. Am liebsten grüne Welle, wünschen sich Autofahrer, Straßenbahn und vielleicht auch Fahrradfahrer. Der Bremer Alltag zwischen den Ampelanlagen aber sieht anders aus: Radfahrer und Fußgänger müssen warten, Autos profitieren auf den Hauptstrecken. Richtig freuen kann sich derzeit die Straßenbahn: Sie soll ampeltechnisch bevorzugt werden.
Seit vergangenem Jahr werden Bremens „Lichtsignalanlagen“ technisch optimiert – 14,8 Millionen Mark kostet das Projekt „ÖPNV-Bevorrechtigung“ mit dem die Fahrten kürzer werden sollen und das subjektive Fahrgefühl besser, weil die Tour durch die City flotter läuft. Der schnellere Umlauf brauche außerdem weniger Fahrzeuge und bringe neue Kunden in die Bahnen, wünscht sich die BSAG, die in zwei bis vier Jahren die Ampeltechnik in Bremen fix und fertig umgesetzt haben will. Bislang funktioniert das nur auf den neuen Strecken der Linie 6 (Uni-Flughafen).
Die Konkurrenten um die knappe Ampelzeit sehen das gar nicht gerne: Autofahrer klagen, dass die Macht der BSAG über die Signale ihre „grüne Welle kaputt macht“, moniert Stefan Moeller vom ADAC. Auch Fußgänger und Radfahrer könnten mal eine Runde aussetzen, wenn die Tram in ihre Grünphase prescht.
Die Devise im Bauressort lautet dagegen „ÖPNV vor Individualverkehr“. Statt eines festen Zeitfensters holt sich die Straßenbahn kurz vor der Kreuzung grün. Das kostet nur ein paar Sekunden. Und die gesparte Zeit käme „allen Verkehrsteilnehmern zu Gute“, erklärt Klaus-Dieter Sagebiehl vom Bauressort. Die Folge: Der (Auto-)Verkehr fließt besser ab.
„Bedarfsgerechte Steuerung“ heißt die Technik, mit der man alle Verkehrsteilnehmer per Ampelschaltung unter einen Hut bringen will. Nach Bussen und Tram profitieren vor allem die Autofahrer: Bislang durch Grüne Wellen und durch Kontaktschleifen im Asphalt, die bei hoher Frequenz Ampelphasen verlängern. Fußgänger aber – muss Sagebiehl zugegeben – „sind an großen Kreuzungen immer im Nachteil“.
Bemühungen vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC), auch die Fahrräder in die Ampelschaltungen reinzubekommen, blieben ergebnislos. Fuß- und Radverkehr wird in Bremen „nachrangig behandelt“, kritisiert Wilhelm Hörmann vom ADFC. Deutlich wird das an den Ampelschaltungen: Für Fußgänger und Radfahrer dauern die oft viel zu lang. „Da werden aus Fußgängern Rotgänger“, meint Angelika Schlansky vom Fuss Verein. Ein kürzerer Ampelumlauf dagegen würde die Leistungsfähigkeit des Autoverkehrs runtersetzten, kontert das Amt für Straßen und Verkehr. „Die Debatte um Ampelschaltungen haben wir deshalb weitgehend verloren“, erklärt Peter Müller vom BUND.
An großen Kreuzungen gibt es außerdem nur für eine Straßenhälfte Grün – um die komplette Verkehrsschlagader nicht zu lange zu blockieren. Radfahrer/Fußgänger dürfen dann auf der Verkehrsinsel auf die nächste Signalschaltung warten, um den Rest der Straße zu überqueren. Und statt einmal flott linksabzubiegen wie die Autofahrer, müssen schon mal drei Ampeln inklusive diverser Rotphasen überquert werden, um Minuten später das gleiche Ziel zu erreichen.
„Seit der großen Koalition sind die Hauptstraßen vor allem autofreundlicher geworden“, klagt Müller. Das sehen die Grünen nicht anders: „Radverkehr spielt auf den Straßen eine Rolle, aber nicht in der Politik“, kritisiert Dieter Mützelburg. Einziges aktuelles Fahrrad-Projekt im Bauressort ist die geplante Radstation am Bahnhof. In der nächsten Woche vielleicht noch etwas: Mit dem ADFC will man über Zielnetzplanung der Radwege sprechen. pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen