zwangsarbeiter
: Fetisch Rechtssicherheit

Für die gleiche Schuld soll niemand zweimal zahlen. Diese Einsicht haben sich die Gründer der Zwangsarbeiter-Stiftungsinitiative zunutze gemacht, um ihrem zynischen Spiel mit den Ansprüchen der Zwangsarbeiter einen rechtlichen Anstrich zu geben. Vielfach wurde den Vertretern der Initiative erklärt, dass es nach dem amerikanischen Rechtssystem keinen absoluten Schutz vor Klagen auch nach Errichtung der Stiftung gäbe. Aber gleichzeitig wurde ihnen von den großen Anwaltskanzleien, die die Interessen der Zwangsarbeiter vertraten, versichert, genau dies werde nicht passieren. Es wurde zigmal ausgeführt, dass ein statement of interest der US-Regierung in der Regel zur Klageabweisung führen werde. Umsonst. Erst wenn sämtliche Klagen niedergeschlagen sind, so erst vor wenigen Tagen DaimlerChrysler-Vorstandssprecher Gentz, werde das Stiftungsgesetz in Kraft treten.

KOMMENTARvon CHRISTIAN SEMLER

Wir alle sind auf Rechtssicherheit angewiesen. Aber den Stiftungsinitiatoren ist ein vernünftiges, ein kalkulierbares Maß an Rechtssicherheit nicht genug. Sie redeten von „hinreichender“ Rechtssicherheit, meinten aber die absolute. Die Rechtssicherheit der ehemaligen Zwangsarbeiter, noch zu Lebzeiten wenigstens den Bruchteil der ihnen zustehenden Entlohnung zu erhalten, zählte nicht. Denn sie haben keinen Rechtsanspruch auf Zahlung. Sie dürfen nur an der „geschichtlichen Verantwortung“ der deutschen Unternehmer partizipieren, sprich: von ihrem Bestreben, den amerikanischen Markt störungsfrei mit deutschen Produkten zu versorgen.

Rechtssicherheit war den deutschen Unternehmen schon immer wichtig. Als sie ausländische Arbeitskräfte ausbeuteten, geschah dies strikt nach den Verordnungen und Gesetzen des NS-Staates. Es gab keine individuellen Arbeitsverträge, somit auch keine aus ihnen resultierenden Ansprüche. Alles geschah nach geltendem Recht und im Vertrauen auf dessen Verbindlichkeit. Aber was damals Recht war, wie kann das heute Unrecht sein? Solche Auffassungen untergraben das Grundprinzip der Rechtssicherheit. Wenn wir uns schon der „historischen Verantwortung“ stellen, dann bitte unter strikter Wahrung dieses unseres Lebenselixiers.

Jetzt scheint es endlich nötig, von dem hohen Ross der Rechtssicherheit abzusteigen. Dieser erzwungenen Konzession an die öffentliche Meinung muss eine zweite folgen. Sofortiger Beginn der Auszahlungen aus den Zinsen der bislang eingelaufenen jämmerlichen 2 Milliarden DM!