piwik no script img

Kein Freitod

■ Streit im UKE II: Therapiezentrum für Suizidgefährdete fürchtet das Aus

In Hamburg nahmen sich 1998 333 Menschen das Leben. Die Hansestadt hat damit von allen deutschen Städten die höchste Suizidrate. Diese Statistik ist die eine Seite, das Geld die andere. Das Therapiezentrum für Suizidgefährdete (TZS) am Universitätskrankenhaus Eppendorf ist nötig, sagen alle Beteiligten. Aber: Es produziert seit Jahren rote Zahlen. Also wird gekürzt – so stark, dass das Zentrum jetzt vor dem Aus steht, wie die acht MitarbeiterInnen befürchten.

Bei der Pressekonferenz sitzen beide Seiten im Raum: Die MitarbeiterInnen und Förderer des TZS, die um ihre Arbeit fürchten, und die kühlen Rechner des UKE, die klar machen, dass man nicht gewillt ist, das Defizit des Zentrums weiter zu akzeptieren. Zuerst kommen die TZS-Verteidiger zu Wort. „Jede andere Uni wäre stolz auf eine solche Einrichtung“, sagt TZS-Leiter Professor Paul Götze. Er weist auf die niedrigen Abbruchquoten der ambulanten Therapie hin, hebt den Forschungsansatz hervor, der an dem Institut gepflegt wird, und wehrt sich gegen Mittelkürzungen: „Es ist ein Wahnsinn, so hochqualifizierte Mitarbeiter so zu behandeln.“ Seit Jahren arbeite man „in der Minimalbesetzung“, und nun sollen zwei weitere Stellen gestrichen werden. Für die Mitarbeiter sagt Diplom-Psychologe Georg Fiedler: „Wenn man weiter beim Personal kürzen will, dann bedeutet das zum 1. Juli faktisch die Schließung des Zentrums.“

Bedeutet sie nicht, wehrt der kaufmännische Leiter der Psychiatrischen Klinik, Gunther Schwarz, ab. Das TZS schleppe seit drei Jahren ein Defizit mit sich herum, das die anderen psychiatrischen Ambulanzen am UKE mitgetragen hätten. Nun aber müsse das Zentrum auf wirtschaftliche Füße gestellt werden. Das bedeutet aus Sicht der Klinik-Leitung: Es müssen mehr Krankenscheine abgerechnet, also mehr Patienten behandelt werden. Fiedler sieht als Folge: „Mehr Arbeit mit weniger Leuten.“

Den Beteuerungen der Leitung, niemand wolle eine Schließung des Zentrums, glaubt der Vorsitzende des TZS-Fördervereines, Josef Grässle-Münscher, nicht: „Hier werden Mittel vom TZS abgezogen zugunsten der billigeren Pillenmedizin anderer Abteilungen.“ Götze fügt hinzu: „Es darf doch nicht sein, dass immer die Ökonomie an erster Stelle steht.“ Peter Ahrens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen