Personen, die es doppelt gibt

Ehemalige Flüchtlingsausweise eines eingebürgerten Ehepaars sind im kriminellen Milieu wieder aufgetaucht. Alte Passinhaber beteuern, die Pässe abgegeben zu haben

Herrn Quang P. und Frau Ngoc T. gibt es in der Republik offenbar doppelt. Es kann aber auch sein, dass mit vietnamesischen Pässen in Deutschland ein gutes Geschäft zu machen ist.

Herr Qang P. und Frau Ngoc T. kamen vor 20 Jahren als Boat-People aus Vietnam nach Berlin. Weil vietnamesische Behörden den politischen Flüchtlingen Personaldokumente verweigert hatten, erhielten die beiden von deutschen Behörden einen Flüchtlingsreiseausweis, der sie als anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention auswies. Diesen Ausweis hatten Frau T. und Herr P. nach eigenen Angaben 1995 bei ihrer Einbürgerung bei der Innenverwaltung wieder abgegeben.

Diesen „üblichen Verwaltungsakt“ bestätigt jetzt die Innenverwaltung auf Anfrage. Die Dokumente waren damals noch neun Jahre gültig. Zwei Jahre später, als die Familie innerhalb Berlins umzog, wurde Herr P. erstmals mit einem unrechtmäßigen Doppelgänger konfrontiert. „Der Beamte beim Landeseinwohneramt fragte mich bei der Ummeldung, ob ich meinen Zweitwohnsitz in Straubing aufrechterhalten wolle.“ Nach dem Einwohnerregister hatte Herr P. dort einen zweiten Wohnsitz. „Wer immer sich unter meinem Namen in Straubing angemeldet hatte: Er trug meinen Namen, mein Geburtsdatum, hatte angeblich jahrelang an meiner Berliner Adresse gewohnt. Einziger Unterschied zu mir: Er war vietnamesischer Staatsbürger, ich inzwischen deutscher.“

Ernster wurde es ein Jahr später: Das Arbeitsamt verweigerte ihm das Arbeitslosengeld, weil er bereits in Straubing Leistungen beziehen würde. Quang P. konnte die Bundesanstalt für Arbeit davon überzeugen, dass er mit dem Inhaber seines ehemaligen Ausweises in Straubing nicht identisch ist, und bekam das Geld nachgezahlt. Ein Ermittlungsverfahren leitete das Arbeitsamt trotz Drängens seines Anwalts nicht ein: weder gegen Herrn P.s „Doppelgänger“ noch gegen die Innenverwaltung.

Kurz darauf erfuhr auch P.s Frau, Ngoc T., von einer unrechtmäßigen Doppelgängerin: Das Berliner Landeskriminalamt lud sie als Zeuge eines in Dresden begangenen Mords vor. Die ihr beim Polizeiverhör vorgelegte Ausweiskopie identifizierte die Frau als ihren ehemaligen Flüchtlingsausweis, das darin enthaltene Passbild als ihres. „Frau T. erläuterte uns glaubhaft, mit dem Fall nichts zu tun zu haben“, erklärt Polizeisprecherin Christine Rother gegenüber der taz. „Wir haben ihr geglaubt. Die Frau vermutete, dass ihr bei der Innenverwaltung abgegebener Ausweis missbraucht wird, und sagte, dass ihr Mann auch bereits solche Probleme habe. Dennoch nahm die Polizei damals kein Ermittlungsverfahren gegen die Innenverwaltung auf. „Die Ausländerakte des Ehepaares war bereits vernichtet. Wir konnten also den Vorfall nicht mehr nachvollziehen.“

Für Herrn P. wurde es noch unangenehmer: Die Brandenburger Polizei nahm ihn in den letzten Wochen zweimal anlässlich einer Verkehrskontrolle fest. Grundlage war ein bayerischer Haftbefehl gegen seinen falschen Doppelgänger. Nach drei Stunden kam der Mann wieder frei, die Polizei war von der Verwechslung überzeugt.

Innensenatssprecher Stefan Paris hat keine Erklärung für das Wiederauftauchen der Pässe. „Normalerweise werden von der Behörde eingezogene Pässe und Ausländerakten von Eingebürgerten ordnungsgemäß vernichtet.“ Über die Vernichtung werde allerdings kein Nachweis geführt. Auf welchem Wege die echten Pässe „oder vielleicht Fälschungen“, so Paris, wieder aufgetaucht seien, könne nur Gegenstand von Spekulationen, nicht von seriösen Behördenauskünften sein. Seine Behörde sehe keine Anhaltspunkte, von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen die Ausländerbehörde einzuleiten. „Wir haben allerdings dafür Sorge getragen, dass Herr Qang P. nicht noch ein weiteres Mal versehentlich festgenommen wird, indem wir im Polizeicomputer einen Aliasvermerk abgespeichert haben.“

Der Grüne Hartwig Berger fordert jetzt von Innensenator Werthebach (CDU) eine genaue Untersuchung des Vorfalls. Er kritisiert, dass nicht bereits von Amts wegen wegen Passhandels ermittelt wurde. Denn es sehe danach aus, dass zwei von der Verwaltung eingezogene Ausweise „weitergegeben, wenn nicht verkauft worden sind“. Er hofft, dass es sich um einen Einzelfall handelt. MARINA MAI