: Jack Straw fühlt sich ungerecht behandelt
Englands Innenminister wehrt sich gegen die Rolle als Hooliganismus-Sündenbock, will aber schärfer durchgreifen
BERLIN taz ■ Mit Überraschung, Bestürzung und einer gehörigen Portion schlechtem Gewissen wurde in England die Drohung der Uefa aufgenommen, die Mannschaft des Landes beim nächsten Krawall britischer Hooligans vom EM-Turnier auszuschließen. Nachdem belgische Behörden und die Exekutive der Uefa die umstrittene Verschärfung der Passgesetze zum obersten Gebot der Hooliganismusbekämpfung erkoren haben, steht die englische Regierung mit dem Rücken zur Wand.
„Wir haben mit den Behörden in Belgien, den Niederlanden und Deutschland sehr intensiv zusammengearbeitet, um die Ausreise von Hooligans zu verhindern. Und das hat grundsätzlich geklappt“, rechtfertigt sich Innenminister Jack Straw, fügt aber kleinlaut hinzu: „Was in Brüssel und Charleroi passierte, war schrecklich, sinnlos und ist nicht zu entschuldigen.“ Die Bilder von stühlewerfenden, prügelnden Fans haben in Großbritannien Beschämung ausgelöst, auch wenn geltend gemacht wird, dass nicht wenige Scharmützel von deutschen Gruppen provoziert worden seien.
War im Vorfeld noch vielerorts Kritik an der „Null Toleranz“-Strategie der belgischen Polizei geäußert und bemängelt worden, dass es so gut wie keine Fanbetreuung gäbe, wird die massive Polizeipräsenz inzwischen unisono als Erfolg gefeiert. Nur das harte Vorgehen der Polizisten, die fast tausend Personen verhafteten, vom harten Schläger bis zum lärmenden Betrunkenen, hätte das Schlimmste verhütet. Die Frage, ob eine solche Präsenz der Ordnungsmacht nicht viele Konflikte erst hervorbringt, wird nicht mehr gestellt.
In diesem Klima von law and order fällt der schwarze Peter den Engländern zu, bei denen ein Gesetz, das es erlaubt hätte, bekannten Hooligans den Pass zu entziehen, politischen Querelen zum Opfer fiel. Die meisten Verhafteten seien überhaupt nicht vorbestraft gewesen, hält Innenminister Straw dagegen, beeilte sich aber zu erklären, dass er ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen wolle. Außerdem würden die Ausreisekontrollen verschärft. Während viele englische Kommentatoren die Ausschlussdrohung der Uefa als gerechtfertigt ansehen, meint Kevin Miles, Koordinator der Fan-Botschaften bei der EM: „Der Vorschlag würde die Unschuldigen in einem Maße strafen, wie es nicht mal die belgische Polizei geschafft hat.“ The Times verweist auf einen anderen Aspekt: „Die Uefa wird von deutschen Interessen dominiert, und wenn sie beweisen will, dass sie gegenüber England nicht voreingenommen ist, muss sie ähnliche Drohungen gegen Länder wie Holland, Deutschland und die Türkei äußern, welche ebenfalls Hooligan-Probleme haben.“
MATTI LIESKE
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