: Freizi bleibt – allein: wie lange?
■ Die Kürzungen im Jugendbereich sind nicht vom Tisch / Ressort rechnet heftig / Ein Zwischenbericht mit Fallbeispiel
Die Rechnung wäre ganz einfach: Gut 200.000 Mark kostet das Jugendfreizeitheim Haferkamp in Walle alljährlich. 236.000 Mark sollen in Walle bis zum Jahr 2005 gespart werden, das will das Anpassungskonzept für Kinder- und Jugendförderung aus dem Jugendressort. „Dann machen wir Haferkamp dicht, und den Rest kriegen wir auch irgendwie gespart“, skizziert Erwin Böhm vom Amt für soziale Dienste Überlegungen der simpelsten Art, die Sparzwänge umzusetzen. Aber beschlossen ist nichts. Die Schließung vom Freizi Haferkamp ein uraltes, nichtsdestoweniger aufwärmbares Gerücht.
Erstmal steht sowieso alles still: Nachdem SchülerInnen in der vergangenen Woche die Sitzung des Jugendhilfeausschusses gekippt hatten, ergo das Kürzungskonzept dort nicht beschlossen werden konnte, arbeitet nun das Senatsressort heftig daran, „ein Signal zu geben, dass nicht alles so schlimm kommt.“ Das verspricht Michael Schwarz, zuständiger Abteilungsleiter. Eine halbe bis eine ganze Million Mark versuche man woanders im Hause Adolf abzuzwacken. Insgesamt müssen im Bereich der Kinder- und Jugendförderung 3,2 Millionen Mark, davon 1,7 Millionen Mark Stadtteilmittel gespart werden. Etwas mehr Geld helfe lediglich, sagt Schwarz, die ein oder andere Härte abzuschwächen: „Das ändert an der Lage gar nichts.“
Zurück nach Walle. Wenn feststeht, wie viel Geld tatsächlich gespart werden muss, bekommt jeder Stadtteil ein Budget zugewiesen, um das sich die einzelnen Einrichtungen streiten dürfen. „Gemeinsamer Prozess“, sagt Erwin Böhm dazu und betont, dass die Schließung eines Freizis vielleicht die simpelste, aber auch die schlechteste aller Lösungen sei: „Was weg ist, ist weg.“ Etwa 80 Stammbesucher hat das Freizi Haferkamp, schätzt Leiterin Doris Schuster. Das Umfeld der Meisten: SozialhilfeempfängerInnen und Alleinerziehende. Viel „kleines Gemüse“, sagt Schuster, Kids ab sechs Jahren, die nirgendwo anders hingehen würden, wenn das Freizi dicht wäre. Und coole Mädchencliquen, die wie Magnete auf Jungs wirken. Mädchen, „die total nach außen powern, sehr verhaltensauffällig sind und es kaum zulassen, dass man ihnen hilft“, weiß Doris Schuster. Sie wird unterstützt von einem Mitarbeiter mit halber Stelle. Hinzu kommen zwei Kräfte mit insgesamt 13 Stunden pro Woche, die zwei Mädchengruppen leiten oder Musik und Sport anbieten. „Das war es dann“, sagt die Leiterin, die da ist, aufpasst, als „Beraterin in allen Lebenslagen“ fungiert und mehr Programm schlicht nicht liefern kann.
Der Jugendhilfeausschuss tagt wieder am 13. Juli. Dass bis dahin ein nachgebessertes Konzept auf dem Tisch liegt, mag Senatsmann Schwarz nicht versprechen. Die Stadtteile sollten erstmal mit dem bereits vorliegenden Zahlen arbeiten, alles weitere sehe man wahrscheinlich erst im Herbst.
„Ich stell' mich nicht hin“, erklärt Amtsmann Böhm in Walle, „und sage, Haferkamp existiert auch noch 2005.“ Doris Schuster neben ihm schweigt und nickt. sgi
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