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Brauchen wir das Musikfest?

■ Carmen Emigholz, kulturpolitische Sprecherin der SPD und neues Vorstandsmitglied in der Philharmonischen Gesellschaft, erläutert ihre Pläne für das Staatsorchester

Die Zukunft des chronisch unterbesetzten Philharmonischen Staatsorchesters ist angesichts des klammen Kulturhaushaltes offen. Carmen Emigholz, neues Vorstandsmitglied der Philharmonischen Gesellschaft, erläutert im taz-Interview ihre langfristigen Pläne für das Orchester. Ihre Idee: Die Rechtsform des zurzeit verbeamteten Orchesters muss verändert werden, der Status eines A-Orchesters aber erhalten bleiben. Wenn dafür kein Geld da ist, könnten auch teure Events wie das Musikfest in Frage gestellt werden.

Frau Emigholz, was ist Ihre Position in der Philharmonischen Gesellschaft?

Carmen Emigholz: Die Philharmonische Gesellschaft hat schon immer Vertreter in der Politik gesucht. Vor mir hatte diese Position Elisabeth Motschmann von der CDU. Ich verstehe es als ein politisches Repräsentanzmandat. Das Orchester hat einen unverdienten schlechten Status in der Öffentlichkeit. Ich möchte mich für eine Popularität einsetzen, die in die Politik und in die Gesellschaft wirkt. Wie beurteilen Sie die gewachsenen Strukturen des Orchesters, deren Mitglieder ja alle städtische Bedienstete sind und die mit einem ehrenamtlichen Management arbeiten – ein Punkt, der von auswärtigen Gutachtern kürzlich sehr kritisiert worden ist?

Man muss zu einer Arbeitsaufteilung kommen, die eine größere künstlerische Freiheit und Flexibilität ermöglicht. Das ist in den bisherigen Strukturen nicht zu erreichen. Die faktische Verbeamtung steht einer künstlerischen Aktivität entgegen. Hier benötigen wir eine andere Rechtsform.

Was heißt denn das in Bezug auf die derzeitigen Aufgaben des Orchesters?

Die Musiker sind über ihre Konzert- und vor allem Operndienste komplett ausgelastet. Das Orches-ter hat signalisiert, wenn andere Zeitstrukturen geschaffen werden, sind wieder Kapazitäten frei. Das muss nun neu verhandelt werden, denn das Orchester muss sich nach außen profilieren können.

Sind denn solche Pläne überhaupt realistisch? Der Kultursenator weiß nicht einmal, wer in seiner Verwaltung der zuständige Mensch für's Staatsorchester ist, man zögert zugleich die längst überfällige Konstituierung einer Findungskommission für die Nachfolge des scheidenden Generalmusikdirektors heraus – wie und wo wollen denn Sie da Orientierungsmarken setzen?

Neu ist immerhin, dass in der Politik über den Erhalt und über die richtige Ausstattung des Orches-ters intensiv beraten wird. Ich hoffe, mit meinem Mandat einen Beitrag zu leisten, dieses endlich in die politischen Gremien vermitteln zu können. Und ich provoziere: Können wir uns ein derart hochsubventioniertes Musikfest leisten, wenn zugleich für das Orchester die Basis in der Stadt nicht stimmt? Es ist die Rede davon, dass das Orchester in eine GmbH umgewandelt werden soll. Im Orchester sind deswegen Ängste entstanden....

Der sichere Status, vor dessen Verlust die Musiker Angst haben, muss natürlich erhalten bleiben. Aber mit Neueinstellungen müssen wir jetzt andere Wege jenseits des Beamtentums gehen. Wir schaffen damit auch neue Flexibilität ...

Warum eigentlich sind die verantwortlichen Politiker offensichtlich unfähig zu der Einsicht, dass eine Stadt eine kulturelle Grundausstattung entsprechend ihrer Größe braucht?

Weil zu viele dauernd einen klassischen Kulturbegriff mit einem wirtschaftlichen verwechseln. Eine Musikstadt muss auch in eigener Sache gestützt werden, von der Politik und von den Sponsoren. Es geht einfach nicht an, dass unser Orchester als Opernorchester am Theater so verbraucht wird, dass es in der Konkurrenz keine Rolle mehr spielt. Ich habe nichts gegen das Musikfest, aber hier stimmen die Verhältnisse nicht mehr. Wir haben viel zu viel Event.

In welcher Richtung gehen denn die neuen Ideen?

Es geht nicht nur um Projekte. Die Profilbildung unserer beiden Orchester Deutsche KIammerphilharmonie und Philharmonisches Staatsorchester muss klarer sein. Die Kammerphilharmonie ist das Reiseorchester und die Philharmoniker sind das Orchester der Stadt. Und zwar nicht nur in der Glocke, sondern in vielen Begegnungen, in anderen Einrichtungen. Zum Beispiel gab's jetzt die Sommer-Matinee im Focke-Museum, da waren 500 begeisterte Besucher. Ich denke mir, dass unser Orchester überall sichtbar sein muss. Noch vor der Sommerpause wollen wir die Richtung festlegen und Ende des Jahres sehr viel weiter sein. Es hängt alles davon ab, ob die neuen Konzepte gegenüber dem Wirtschafts- und Kulturressort nachhaltig zu kom-munizieren sind. Wichtig ist für mich, dass jetzt viele Beteiligte an einem Strang ziehen und wir eine gute Kommunikationsebene gefunden haben zwischen Vorstand und dem Orchester selber.

Es gibt das Gerücht, das Staatsorchester solle zu einem mit weniger Stellen besetzten und schlechter bezahlten B-Orchester heruntergestuft werden. Was halten Sie davon?

Das ist für mich nicht diskutabel. Ein eigenständiges Bundesland braucht ein A-Orchester.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

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