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standbildBallfieber

„EM-Nightclub“

(tgl. ab 24.00 Uhr, Eurosport)

Die EM beschert Fußballfanatikern ein neues Ventil ihrer Obsession: Im Fernsehen, mitten in der Nacht, zwischen all dem Pfui-TV und den Dauerwerbesendungen. Auf Eurosport beginnt Schlag Mitternacht im „Nightclub“ ein achtstündiges Potpourri aus Wiederholungen, EM-Highlights und Werbung.

Und Eurosport hat den wahren Fans neben Beschäftigungstherapie für einsamen Nächte auch noch neue Kommunikationsmöglichkeit geschaffen – Internet-Zugang vorausgesetzt: Über die Homepage des Sportsenders kann man kleine Nachrichten direkt auf die TV-Mattscheibe schicken. Das Wohnzimmer als Chat-Room macht das Ballfieber-TV perfekt.

Gelegentlich unterbrochen vom Eurosport-DJ, einem virtuellen Vetter von Lara Croft, der ein wenig aussieht wie Waldemar Hartmann auf „E“, erscheinen Botschaften, die oft unterhaltsamer sind als das gleichzeitig laufende Ballgetrete.

Aus Portugal schriebt Xavier: „Ich verhungere. Doch ich gehe nicht eher in die Küche bis ich meine Nachricht im Fernsehen sehe.“ Und aus Italien meldet sich eine Mama Collina mit der Aufforderung, doch bitte ihren Jungen in Ruhe zu lassen (gemeint war Schiedsrichter Pierluigi Collina): Er könne es eben nicht besser.

Und manchmal ist in der großen Fußballliebe auch eine kleine Vision versteckt: Ahmed aus Marokko prophezeit für die EM 2004 ein Finale seiner Mannschaft gegen den zukünftigen Gastgeber Portugal, also eine europäische Süderweiterung über das Mittelmeer hinaus.

Untermalt werden die Fußballsequenzen und der Fernseh-Chat jedoch nicht vom monotonen Redeschwall eines Kommentators. Hier hält sich Eurosport offenbar bewusst zurück. Nichts schallt in die Nacht hinaus, kein „TOOOOOOOOR!“, kein Lamenti über ein schwaches Spiel. Nur Musik. Und manchmal, wenn der Bass synchron läuft mit den schnellen Schritten David Beckhams Richtung Tor, erscheint dieses Weglassen wesentlich zukunftsweisender als der neuerliche Versuch, Internet und Fernsehen zu verquicken. TOBIAS MOORSTEDT

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