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TAT-Mensch wird Tatmensch

Tom Stromberg, der neue Intendant des Schauspielhauses, stellte gestern sein Programm für die kommende Spielzeit vor  ■ Von Eberhard Spohd

Tom Stromberg hat sich einiges vorgenommen. Der neue Intendant des Schauspielhauses hat gestern offiziell das Programm für die kommende Spielzeit vorgestellt und seine Ausführungen gleich richtungsweisend eingeleitet: „Die Welt ist aus den Fugen: Deutschland kann nicht mehr Fußball spielen, Cats und Das Phantom der Oper werden abgesetzt. In diese Lücke wollen wir stoßen.“ Die Zeit sei reif, für das Theater. Wobei ruhig bezweifelt werden darf, dass ausgerechnet die Musical-Besucher nun zuhauf in das Haus an der Kirchenallee strömen werden

Eine vorwitzige Schätzung vorweg: 20 Prozent der Hamburger Theatergänger werden jubelnd den ehemaligen TAT-Menschen Stromberg preisen, und 80 Prozent werden ihn und seine neuen Ideen gar nicht mögen. Zwar bedankte er sich artig bei seinem Vorgänger Frank Baumbauer für Qualität und konsolidierte Bilanzen und versprach, dessen Arbeit weiterzuführen. Doch schon das Eröffnungs-Wochenende vom 29. September bis zum 1. Oktober ist eine kleine Eruption. Gleich mit vier Premieren – darunter drei Uraufführungen – an einem Tag und allen vier Spielstätten möchte Stromberg seine Amtszeit einläuten.

Zum ersten inszeniert Jan Bosse das Stück Haltestelle. Geister von Helmut Krausser. Zum zweiten bringt Ute Rauwald Gier, das letzte Werk von Sarah Kane auf die Bühne. Zum dritten erarbeitet Ingrid Lauwald, wie ihre beiden KollegInnen neue Hausautorin, ein eigenes Stück unter dem Arbeitstitel Stück B. Zum vierten setzt Jérôme Bel seine Last Performance mit einer Choreographie namens The Show must go on fort. Dass er das in Hamburg tut, ist nicht selbstverständlich: Bel, so war zumindest angekündigt, wollte das Stück über das zu Ende gehende Zeitalter der Popkultur eigentlich im Herbst an der Berliner Schaubühne aufführen. „Das hat er abgesagt“, erläuterte Stromberg diesen Umschwung lapidar.

Überhaupt, die Hauptstadt: „So etwas muss man machen in dieser Situation, in Konkurrenz zu Berlin. Aber“, korrigiert er sich gleich, „was für eine Konkurrenz ist das schon.“ Kann man im Osten etwa von sich behaupten, den derzeit avanciertesten Choreographen William Forsythe mit seinem ganzen Frankfurter Ensemble zu einem Gastspiel bewegen zu können? Zu mehreren in den kommenden Jahren? Vor allem kann man sich das in Hamburg eigentlich finanziell leisten bei einem Budget von 45 Millionen Mark? Stromberg meint ja, er habe schon Sponsoren dafür gefunden. Namen will er aber noch keine nennen, schließlich seien die Verträge noch nicht unterschrieben. Außerdem habe man die Einnahmen laut kaufmännischen Geschäftsführer Peter Raddatz sehr vorsichtig geschätzt.

Junge Regisseure und arrivierte werden im Schauspielhaus arbeiten. Die Auswahl der Stücke bietet eine Mischung aus Klassikern wie Tschechows Möwe oder die Wiederaufnahme von Shakespeares Hamlet in der Zadek-Inszenierung und modernen Werken wie Eve Enslers Vagina-Monologe. Die führten immerhin zur Trennung des New Yorker Bürgermeisters von seiner Frau, weil die unbedingt als Schauspielerin mitmachen wollte. Klar, das hier mit Viviane De Muynck von der Needcompany wieder ein Star Regie führt.

Stromberg geht mit seinen Plänen ein hohes Risiko ein, das an das Scheitern von Res Bosshardt gemahnt, der auf Kampnagel auch die Revolution versuchte. Aber wenn einer halten kann, was er verspricht, dann dieser Tatmensch. Ein guter Gastgeber wolle man sein. „Bislang sind wir hier gut aufgenommen worden“, sagt er, „und wir versuchen, uns gut zu benehmen.“ Und wenn alle Stricke reißen, gewinnt das Schauspielhaus-Fußballteam einfach das jährliche Turnier für Theatermannschaften.

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