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Drei Tage Dauerkauen

Mehr Bilder und noch mehr Bilder von Bildern: Die Fotografin Louise Lawler liebt die semiotischen Kicks der Achtzigerjahre. Jüngste Arbeiten von ihr werden jetzt bei Neugerriemschneider gezeigt

„More pictures“ – fast ein Schlachtruf. Und die enthusiastisch Skandierende ist die New Yorker Fotografin Louise Lawler, deren jüngste Arbeiten derzeit in der Galerie Neugerriemschneider gehängt sind. Dort schweben ihre Cibachromes leuchtend gelb, rot, orange, grün und blau unter der Decke oder verteilen sich Luftballons gleich im Raum.

Fast scheinen sie sich dem Material der fotografierten Objekte anzugleichen, sind nahezu ebenso luftig und leicht installiert wie Andy Warhols „Silver Clouds“, die als heliumgefüllte Silberfoliekissen auf den leuchtstarken Fotografien in kleinen Ausschnitten zu sehen sind: Schick bunt, als Referenz dann aber doch eine Spur zu offensichtlich. Nun gibt Lawler uns aber mehr als Bilder, sie zeigt uns Bilder von Bildern. Fotografien von Arbeiten der Klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst, von Schwitters, Manet, Barney oder eben Warhol.

Sie reproduziert Werke mittels der Fotografie an ihrem jeweiligen Ort, in einer Galerie, im Museum oder im Depot, sodass nicht die Arbeiten selbst, sondern der sie umgebende Raum in den Vordergrund rückt. Der Betrachter wird so durch ein zwischengeschaltetes Medium vom eigentlichen Kunstwerk distanziert, damit ein vermeintlich objektivierter Blick auf die Arbeit entsteht und darüber hinaus auch die Rolle des Betrachters gesteigerte Aufmerksamkeit erhält. Lawler legt so Betrachtungsmechanismen frei, spielt mit dem Verhältnis zwischen Werk und Ort, zwischen Werk und Betrachter, und mit ihrer Rolle als Künstlerin. Die fotografierten Arbeiten sind nicht unveränderlich, sondern werden immer wieder neu konstituiert, sobald sie in einer anderen Umgebung präsentiert werden. Und überall grinst hämisch feixend der viel diskutierte Kontext. Die semiotische Kunsttheorie hat in Louise Lawler eine Verbündete gefunden, Mieke Bal und Norman Bryson führen vermutlich Freudentänze auf. Jeder Ort, jeder veränderte Kontext fordert eine neue Interpretation. Nichts ist wertfrei, die Rahmenbedingungen und der Rezipient machen ein Werk zu dem, was es zu sein scheint. So ergeht es nicht nur den von Lawler reproduzierten Arbeiten, sondern auch ihren Werken selbst. Auch sie sind nicht unbeeindruckt von ihrer Umgebung, auch sie sind installiert und inszeniert, denn Reproduktion ist ebenfalls in ihre Begleitumstände eingebunden.

Lawler ist Künstlerin und praktische Kunsttheoretikerin. Und das ist das Fatale. Sie illustriert die kunsttheoretischen Texte der 70er. Als sie Anfang der 80er damit begann, war es spannend und aufregend, dem angebeteten herrschenden Diskurs eingegliedert. Mittlerweile sind jedoch auch Kontextkunst und Appropriation Art durchgekaut. Verborgenes enthüllt sich kaum mehr, weil nahezu alles offen liegt. Da können die Fotos noch so bunt durch den Raum leuchten und einen ironischen und mit Humor gefüllten Ansatz vorgeben. Der Eindruck des von seiner Zeit Überholten klebt fest wie Kaugummi nach drei Tagen Dauerkauen. SANDRA FRIMMEL

„More pictures“, bis 1. 7., Mo–Sa 10 bis 18 Uhr, Galerie Neugerriemschneider, Linienstraße 155, Mitte

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