: Mission to Moon
Studie belegt: Hamburgs Kinolandschaft verödet weiter. Neben den Tod kleiner Häuser tritt die „Kannibalisierung der Multiplexe“ ■ Von Peter Ahrens
Mit „schnellen Schnitten und hoher Action“ kann Willfried Maier nicht viel anfangen. Der GAL-Stadtentwicklungssenator wird sich daran gewöhnen müssen, wenn er ins Kino geht. Hamburgs Kinolandschaft nimmt immer mehr Züge der Mondoberfläche an: Öde und eintönig. Die Kinostudie 2000, die Maier gestern vorstellte, belegt: Hamburg hat die höchste Leinwanddichte in Deutschland. Weitere kleine Kinos werden demnächst sterben, und selbst die Multiplex-Großkinos graben sich längst untereinander das Wasser ab.
Die Diagnose lautet Overscreening, und das heißt Übersättigung. Zu viele Leinwände, zu viele Plätze, die BesucherInnenzahlen können mit dem Wachstumstempo nicht mehr mithalten. Die Prognosen für Hamburg von 1998 sind um 20 Prozent unterschritten worden: 7,9 Millionen Kinogäste pro Jahr lautete vor zwei Jahren noch die Voraussage, die Kinostudie des Wuppertaler Gutachterbüros rmc Medien hat sich jetzt auf 6,2 Millionen nach unten korrigiert.
Der Verdrängungswettbewerb ist voll in Gang. Die Multiplexe versuchen neue ZuschauerInnen dadurch zu gewinnen, dass man auch Filme zeigt, die sonst nur in den Programmkinos laufen. „Auch für Kinos wie Zeise oder Abaton wird es dadurch zusätzlich schwerer, an exklusive Filme zu kommen“, stellt Ludolf Koch von der Gutachterfirma fest. Er prognostiziert, dass mittelfristig Kinos wie das „City“ am Steindamm und das „Studio“ an der Bernstorffstraße Probleme bekommen werden. Und falls in Billstedt oder Bergedorf wie geplant ein weiteres Multiplex entsteht, „werden auch die dortigen Hansa-Kinos in der bisherigen Form nicht weiter existieren“.
Auch für die Großkinos selbst wird es eng. „Die Kannibalisierung der Multiplexe“ nennt Koch das. Während die Cinemaxx-Häuser des Hamburger Unternehmers Hans-Joachim Flebbe noch ebenso relativ sicher sind wie die von Flebbe übernommenen UFA-Großkinos, haben die UCI-Lichtspielhäuser in Othmarschen und Wandsbek schon Schwierigkeiten, sagt der Senator.
Trotzdem liegen sieben weitere Bauanträge für Multiplex-Kinos in der Stadt vor – von Billstedt bis zur Reeperbahn, wo Flebbe gern bauen würde. Und die Kinos der nächsten Generation stehen auch schon vor der Tür. Megaplexe nennen die sich und sind mit bis zu 5000 Sitzplätzen noch gigantischer. Im Volkspark ist so ein Megaplex vorgesehen, was Maier vehement ablehnt. „Ein solches Haus hätte verheerende Auswirkungen auf die Kinolandschaft.“ Die Studie legt dem Senat nahe, möglichst „dämpfend“ auf die Ausweitung von Großkino-Standorten einzuwirken. Doch die Möglichkeiten der Stadt sind begrenzt: „Wir sind schließlich nicht dazu da, den Leuten Geschäfte zu verbieten“, sagt Maier. So könne man gegen ein Großkino an der Reeperbahn juristisch kaum vorgehen.
Nur ein Kriterium des Overscreening, das sonst immer eintrifft, ist in Hamburg bisher ausgeblieben: Die Eintrittspreise sind noch nicht gesunken.
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