Konkurrenz um Kinderspiele

DIW-Studie: Eltern wählen ihre Kita selbst aus und bezahlen per Gutschein. Wird das Betreuungssystem damit besser?

BERLIN taz ■ Um neun klingelt das Handy und der Chef fragt entnervt, wo man denn schon wieder bleibt. Aber, hat man doch schon hundertmal erklärt, die Kita öffnet erst um neun. Dienstags, mittwochs und freitags hat man Kinderdienst, da ist man eben erst eine Viertelstunde später im Büro. Kann der Chef sich natürlich nicht merken. Warum macht diese verdammt Kita nicht eine halbe Stunde früher auf?

Ganz einfach, erklärt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): weil sie keinen Anreiz dafür hat. Wer pauschal gefördert wird, richtet es sich im Subventionsnest häuslich ein und ist nicht gerade offen für die Ansprüche der Kundschaft: flexible Betreuungszeiten zum Beispiel. Das jedenfalls ist die Theorie der Volkswirtin Katharina Spiess, einer der AutorInnen der Studie.

In ihrer Expertise haben die drei AutorInnen vor allem geprüft, ob es nicht sinnvoller ist, das einzelne Kind zu fördern als die Betreuungseinrichtung. Das Modell dazu sieht Gutscheine vor, die dem Kind je nach Bedarf eine bestimmte Betreuungszeit garantieren. Diese Gutscheine können die Eltern dann einlösen, wo auch immer sie wollen. „Es ist der Einzug des Wettbewerbsgedankens in eine soziale Dienstleistung“, formuliert es Spiess. Wenn die Eltern die Kindergärten, Kitas und Horte über die Gutscheine selber „bezahlen“, so hoffen die AutorInnen, dann müssten die Einrichtungen sich wirklich nach dem Bedarf richten: „Wenn also Eltern Wert darauf legen, dass die Zeiten flexibel sind oder dass Kinder zweisprachig erzogen werden, dann können sie eine Einrichtung, die das gewährleistet, unterstützen.“

Das sei zwar theoretisch nett, berge aber praktische Probleme, wurde den WissenschaftlerInnen in der Diskussion ihrer Studie am Montag in Berlin entgegengehalten. „Wie soll denn der Wettbewerb auf einem brandenburgischen Dorf aussehen?“, fragte etwa Sibylle Volkholz, die grüne Ex-Schulsenatorin in Berlin. „Da geben fünf Eltern ihr Kind plötzlich ins Nachbardorf, und dann kann der einzige Kindergarten zumachen.“ Im Wissenschaftsjargon geantwortet: Natürlich seien „gewisse Anpassungsprozesse“ bei Einrichtungen, die „nicht bedarfsgerecht arbeiten“, nicht auszuschließen, so die Ökonomin Spiess.

Dass aber bei der Umsetzung noch ganz andere praktische Probleme lauern, zeigt das Beispiel Hamburg. Hier versucht der Senat gerade, eine „Kita-Card“ mit einem bestimmten Betreuungsguthaben einzuführen, das die Eltern dann bei der Kita iher Wahl einlösen können. Jedes Kind soll genau in der Zeit betreut werden, in der die Eltern arbeiten, anstatt z. B. auf einem Ganztagsplatz zu sitzen, wenn nur ein Halbtagsplatz benötigt wird – nur weil die Kita ihre Plätze auslasten will. Doch der Effizienzgedanke verleitet die Hamburger vor allem zum Knapsen. Das Guthaben auf der Kita-Card wird nun streng nach den Arbeitszeiten bemessen: Wer vier Stunden pro Tag arbeitet, bekommt vier Stunden Betreuung. Rechnet man den Anfahrtsweg ein, bedeutet das: Hey, Chef, ich komme etwas später, meine flexible Betreuungszeit ist nämlich so knapp! HEIDE OESTREICH