: Drei Rechentricks von Riester
Rente für Mathe-Freaks: Wie der Sozialminister mit Zahlen jongliert und die Alterssicherung reformiert. Die Renten sinken auf dreierlei Art. Wenn Sie’s einmal verstanden haben, ist es leicht
von BARBARA DRIBBUSCH
„Inflationsausgleich“, „modifizierte Nettolohnanpassung“, „Ausgleichsfaktor“ – wer sich für seine künftige Rente interessiert, musste in den vergangenen Wochen ein paar Vokabeln hinzulernen. Nie war eine Rentenreform so kompliziert wie die von Sozialminister Walter Riester. Dabei sind es letztlich nur drei Rechenoperationen, mit denen Riester in den nächsten 30 Jahren die Renten senken will. Die Richtung ist klar: Es gibt weniger Geld als nach den geltenden Regelungen.
Trick 1: Der Inflationsausgleich
Die Renten werden in diesem und im nächsten Jahr nicht mehr wie die durchschnittlichen Nettolöhne steigen, sondern nur noch in Höhe der Preissteigerungsrate. Die Folge: Der Inflationsausgleich senkt das Rentenniveau bis zum Jahr 2001 von heute 70 Prozent auf 68 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns. Unter diesem rechnerischen Rentenniveau versteht man die Rente, die ein Ruheständler bekommt, der 45 Jahre lang einen Durchschnittslohn verdient und entsprechend Beiträge gezahlt hat. Dieser Rentner erhält somit ab dem Jahr 2001 nur noch 68 Prozent des dann aktuellen Durchschnittslohns. Diese Zahl ist allerdings nur ein fiktiver Richtungswert: Die meisten haben nicht 45 Jahre lang in die Rentenkassen eingezahlt.
Trick 2: Die modifizierte Nettolohnanpassung
Eine besonders raffinierte Masche. Damit senkt Riester in den acht Jahren vom Jahr 2001 bis zum Jahr 2008 erneut die ausgezahlten Renten, spart also Geld – das Rentenniveau aber, also das Verhältnis von Rente zu Nettolohn, bleibt gleich. Der Trick besteht darin, einfach den Nettolohn rechnerisch neu zu ermitteln und dabei zu vermindern.
Riester verringert den statistischen durchschnittlichen Nettolohn, indem er zwischen den Jahren 2001 und 2008 stufenweise jedes Jahr 0,5 Prozent mehr vom statistischen mittleren Bruttolohn abzieht. Riesters Argument: Diese Summe sollten die Beschäftigten schließlich für ihre private Altersvorsorge zurücklegen. Im Jahre 2008 ist diese fiktive Rücklage somit auf vier Prozent angewachsen. Die fiktive Rücklage zieht Riester vom rechnerischen Bruttolohn ab, folglich vermindert sich der statistische Nettolohn – und damit auch die ausgezahlten Renten, die sich daran orientieren. Hätte Riester die Renten nicht mit diesem Trick, sondern durch ein Absenken des Rentenniveaus vermindert, dann hätte er dieses Niveau von 68 auf 66 Prozent verringern müssen. So aber bleibt das Niveau optisch auf 68 Prozent – bis zum Jahr 2011.
Trick 3: Der lineare Ausgleichsfaktor
Mit dem linearen Ausgleichsfaktor werden die ausgezahlten Renten erneut abgesenkt, aber jeweils immer nur für die Altersgruppe, die neu in Rente geht. Wer im Jahr 2011 oder später in Rente geht, muss einen Abschlag von 0,3 Prozent pro Jahr hinnehmen. Wer also im Jahr 2020 in den Ruhestand wechselt, bekommt drei Prozent weniger Geld als ein Rentner, der im Jahr 2010 aufs Altenteil ging – auch wenn beide relativ gleich viel verdient und gleich lang eingezahlt haben. Im Jahr 2030 erhalten die Neurentner somit sechs Prozent weniger Ruhestandsgeld als vergleichbare Neurentner vom Jahre 2010. Damit sackt auch das rechnerische Rentenniveau erneut ab: Für Neurentner im Jahre 2030 liegt es bei 64 Prozent.
Das Argument für diesen so genannten Ausgleichsfaktor: Die Jüngeren bekommen damit zwar monatlich weniger Rente, aber sie erhalten dafür länger Rente, weil die Lebenserwartung der Über-65-Jährigen steigt – und zwar alle zehn Jahre um durchschnittlich ein Jahr. Derzeit leben Männer nach dem Ruhestandsbeginn durchschnittlich noch 15 Jahre, Frauen noch 18 Jahre lang. Die Jüngeren werden länger – und bescheidener – leben müssen.
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