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Steuerstreit füllt das Sommerloch

Rückschlag für den Konsens-Kanzler: Union und FDP blockieren Verabschiedung der Steuerreform und fordern weitere Nachbesserungen. Das ärgert nicht nur Schröder. Auch die Industrie sieht Aufschwung in Gefahr und warnt vor einem Scheitern

aus Berlin TINA STADLMAYER

Nach dem Scheitern des ersten Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat zur Steuerreform hat Bundeskanzler Schröder der Union eine „fundamentalistisch angelegte“ Strategie vorgeworfen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz versuchte dagegen einzulenken: Er sei zu einer zweiten Vermittlungsrunde bereit. Sein Stellvertreter Peter Rauen ergänzte: „Es geht ja um viel. Wir wollen die Steuerreform.“ Die Gespräche könnten noch in der Sommerpause oder Anfang September wieder aufgenommen werden.

Am Dienstagabend hatten die Vertreter von Union und FDP das von der Bundesregierung vorgelegte Konzept abgelehnt. Mit dem Angebot war Rot-Grün der Opposition vor allem beim Spitzensteuersatz entgegengekommen. Er soll von jetzt 51 Prozent bis zum Jahr 2005 auf 43 Prozent gesenkt werden, also um zwei Prozentpunkte mehr als bisher geplant. Der Höchstsatz soll nicht schon bei 99.000 Mark, sondern erst ab 102.000 Mark Jahreseinkommen gelten. Außerdem nahm die Koalition zusätzliche Vergünstigungen für die mittelständische Wirtschaft in ihren Gesetzentwurf auf. Insgesamt sieht die Steuerreform für 2001 ein Entlastungsvolumen von 44,3 Milliarden und für 2005 von 56,2 Milliarden vor.

Merz ist jedoch immer noch nicht zufrieden. Durch die Nachbesserungen habe sich das Konzept der Bundesregierung sogar weiter verschlechtert. Im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag käme auf den Mittelstand nun eine Mehrbelastung in Höhe von 15 Milliarden Mark zu. Eine gleichmäßige Entlastung für alle Steuerzahler werde auch mit den neuen Plänen nicht erreicht. Außerdem sei nicht einzusehen, wieso Kapitalgesellschaften bereits ab dem Jahr 2001 mit Erleicherungen rechnen könnten und alle anderen erst ab 2005.

CDU-Chefin Angela Merkel sieht keinen Anlass zur Eile. Für ein Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar 2001 reiche es aus, im September den endgültigen Gesetzestext zu verabschieden.

CDU-Finanzexperte Rauen sagte gestern, die Bundesregierung brauche sich keine Hoffnungen zu machen, dass einige Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung der Reform am 14. Juli im Bundesrat zustimmen würden. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass Rot-Grün im Bundesrat eine ausreichende Stimmenzahl für die Reform bekommt. Kanzler Schröder und Finanzminister Eichel hatten bei den großen Koalitionen in Bremen, Berlin, Brandenburg und bei der sozialliberalen Regierung in Rheinland-Pfalz sondiert, ob sie bereit seien zuzustimmen. Drei von ihnen müssten mitmachen, damit Rot-Grün die Mehrheit in der Länderkammer bekommt. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kerstin Müller, appellierte – vermutlich vergeblich – an die Länder, sich nicht gegen ihre eigenen Interessen „zum Büttel von Präsidiumsbeschlüssen“ der CDU zu machen. Die Blockade der Union gefährde den Konjunkturaufschwung.

Auch einige Wirtschaftsvertreter wiederholten ihre Warnung vor einem Scheitern der Steuerreform. BDI-Präsident Olaf Henkel sagte, da der Finanzminister auf die Opposition zugegangen sei, müsse auch die Union über ihren Schatten springen: „Wenn die Politik den Termin 1. 1. 2001 gefährdet, erlahmt die Investitionslust, gerät der Aufschwung in Gefahr.“ Vertreter von Handwerk und Einzelhandel forderten Regierung und Opposition auf, sich zusammenzuraufen. Dieter Teichmann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung warnte, wenn die Reform scheiterte, „würden sich die gesamtwirtschaftlichen Aussichten für das nächste Jahr erheblich eintrüben“. Das könne einen halben Prozentpunkt Wirtschaftswachstum kosten.

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