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Jetzt ohne Jubelperser

Exiliraner empfangen den iranischen Staatspräsidenten Mohammad Chatami mit einer Vielzahl von Demonstrationen

BERLIN taz ■ Noch bevor der iranische Staatspräsident Mohammad Chatami am Montagmittag zu seinem Staatsbesuch in der Hauptstadt eintrifft, wird heute Vormittag vor dem Auswärtigen Amt in Berlin-Mitte die erste Kundgebung stattfinden: Der Verein Iranischer Flüchtlinge protestiert – unterstützt von Grünen, PDS und Menschenrechtsgruppen – gegen die Niederschlagung der Studentenproteste in Iran. Die Veranstalter fordern die Freilassung hunderter StudentInnen, die seit dem vergangenen Jahr in iranischen Gefängnissen sitzen.

Der Zeitpunkt für den Besuch Chatamis – den ersten eines iranischen Staatschefs seit dem des Schahs 1967 – könnte ungünstiger nicht sein: Der Reformer ist seit drei Jahren im Amt, doch die Hoffnung auf eine Liberalisierung hat er bisher nicht erfüllen können. Die konservativen Kräfte beherrschen nach wie vor den Justizapparat und den Geheimdienst. Trotz des überwältigenden Wahlsiegs der Reformer bei den Parlamentswahlen im Februar gibt es Rückschläge bei Pressefreiheit und Menschenrechten: Seit dem Frühjahr wurden 18 progressive Zeitungen verboten. Gegen drei Teilnehmer und Mitorganisatoren einer Iran-Konferenz, die die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung Anfang April in Berlin veranstaltete, wurde Haftbefehl ausgestellt.

Die Sicherheitsvorkehrungen für den dreitägigen Besuch werden die des Clinton- und Putin-Besuches noch übertreffen. Anders als der Schah-Besuch, der 1967 mehr als tausend Berliner StudentInnen auf die Straße brachte (siehe Kasten), zieht Chatami vor allem die Proteste der Exiliraner auf sich. Angesichts der Vielzahl der Aktionen, die zum Teil schon wieder abgemeldet oder mit neuen Zeitangaben eingereicht wurden, sprach ein Polizeisprecher von einer „unübersichtlichen Lage. So viele Veranstalter und so viele parallele Aktionen habe ich in der Form noch nicht erlebt.“

Eine der größten Demonstrationen mit angeblich 18.000 Teilnehmern hat eine „Vereinigung zur Förderung der iranischen Musik e.V.“ angemeldet. Beobachter vermuten, dass sich dahinter die Volksmudschaheddin verbergen (siehe nebenstehenden Artikel). Bei Chatamis Staatsbesuchen in Rom und Paris im vergangenen Jahr konnten sie immerhin mehrere tausend Anhänger mobilisieren. DOROTHEE WINDEN

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