: Abtreibung mit Mifegyne
Bevor die so genannte Abtreibungspille in Deutschland auf den Markt kam, wurde sie entweder dämonisiert oder idealisiert: Kardinal Joachim Meisner verglich das Medikament mit dem Auschwitzgas Zyklon B. Einige FeministInnen priesen die Pille hingegen als schonendste Abtreibungsmethode überhaupt.
Ein halbes Jahr nach der Zulassung des Medikaments ist es still geworden um Mifegyne. Laut der eigens gegründeten Firma Femagen, die es hierzulande vertreibt, sind 3.500 Packungen verkauft worden. Nicht viel bei jährlich etwa 130.000 Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. In Frankreich werden mit der Abtreibungspille RU 486 zehn Jahre nach ihrer Einführung rund dreißig Prozent aller Abbrüche eingeleitet.
Die Unpopularität des Mittels hat verschiedene Gründe: Zum einen ist das Informationsdefizit unter GynäkologInnen und Patientinnen groß und demzufolge die Unsicherheit mit der neuen Methode. Auch ist die medikamentöse Abtreibung innerhalb der Ärzteschaft umstritten. Der gewichtigste Grund ist aber, dass ein medikamentöser Abbruch Ärzten geringer vergütet wird als ein herkömmlicher.
In Berlin können GynäkologInnen bei Patientinnen, bei denen das Land die Kosten des Abbruchs übernimmt, für eine medikamentöse Abtreibung maximal 125 Mark abbrechnen, für einen operativen Abbruch in Vollnarkose bekommen sie 650 Mark – was sechzig Prozent der Fälle betrifft. Dabei ist die Vor-und Nachsorge beim Mifegyne-Abbruch wesentlich umfangreicher. In der Hauptstadt bieten nur wenige ÄrztInnen sowie das Familienplanungszentrum Balance diese Methode der Abtreibung an.
Balance hat bisher ausgesprochen gute Erfahrungen mit Mifegyne gemacht. Seit Jahresbeginn wurden dort 76 medikamentöse Abbrüche durchgeführt. Nur eine Frau musste zusätzlich noch eine Aussaugung durchführen lassen, weil nach Einnahme des Wehen auslösenden Prostaglandin Schleimhautreste in der Gebärmutter geblieben waren.
Die Mitarbeiterinnen von Balance befragen die Frauen vor und nach dem Eingriff auf freiwilliger Basis – Studien über die Akzeptanz von Mifegyne gibt es in Deutschland noch nicht. Die ersten etwa zwanzig ausgewerteten Antworten ähneln jedoch den Ergebnissen großer internationalen Studien. Für drei Viertel der von Balance betreuten Frauen war der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch eine „eher gute Erfahrung“, die sie im Fall des Falles wiederholen würden.
Dass die Abtreibungspille weder ein schonendes Wundermittel noch ein Foltermittel ist, wird sich auch in Deutschland bei den GynäkologInnen durchsetzen. „Entscheidend ist, dass die Frauen eine Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Arten der Abbrüche haben“, betont die Berliner Ärztin Anke Hemmerling, die die Fragebögen auswertet.
Nicht für jede Frau ist die Pille die beste Methode. Vorteil ist, dass der Eingriff schon sehr früh gemacht werden kann. Es gibt kein Operationsrisiko. Und: Viele Frauen bezeichnen die medikamentöse Abtreibung als „natürlicher“, weil nicht mit Instrumenten in ihren Körper eingegriffen wird.
Doch die Nachteile sind nicht unbedeutend: Der Eingriff kann in der Bundesrepublik nur bis zum 49. Tag nach der letzten Blutung gemacht werden, das heißt die Zeitspanne zwischen der Empfängnis und der Abtreibung liegt nur bei rund fünf Wochen. Und: Nicht jede Frau empfindet das „bewusste Erleben“ der Abtreibung als positiv.
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