: Krabbelkäfer statt Atome
■ NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn galoppierte durch die unendlichen Weiten der Umweltpolitik
Der Goldgrünglänzende Rosenkäfer ist das Insekt des Jahres, und seine Schirmherrin, Bärbel Höhn, war am Donnerstag erstmals in Bremen, um folgende Frage zu beantworten: Wie lenkt man die öffentliche Aufmerksamkeit wieder auf die Umweltpolitik? Oder ist letztere gar aus der Mode gekommen?
Mitnichten, meinte die nordrhein-westfälische Umweltministerin in der Galerie Rabus, es gebe noch erhebliches Interesse in der Bevölkerung. Für die prominente Grüne ist die Zeit reif, wieder Schönheit und Reichtum der Natur zu sehen, Faszination zu we-cken, Werte zu diskutieren – und sei es vermittels des weithin unbekannten Krabbeltiers.
Ob das funktioniert, sei dahingestellt. Fest steht, dass bei der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung über alles Mögliche geredet wurde, nur nicht über den Atomausstieg. Der war Thema einer zeitgleich stattfindenen Veranstaltung der Ökologie AG im Bürgerhaus Weserterrassen, die jedoch ohne prominente Erläuterungen auskommen musste. Die Besucherin aus Düsseldorf hatte offensichtlich keine Lust mehr auf das Thema Atom und redete vor allem über das, was sie sich unter moderner grüner Umweltpolitik vorstellt.
Dazu gehört zum Beispiel die positive Selbstdarstellung. Die Frau im froschgrünen Sakko empfahl, nicht immer gleich öffentlich zu machen, „was wir nicht geschafft haben“. Die Grünen hätten seit ihrer Gründung eine ganze Menge erreicht. Höhn sparte also nicht an schönen Worten über den eigenen Koalitionsvertrag („Da haben wir enorm viel reingeschrieben.“). Eine reine „Streitkoalition“ habe man aber unbedingt vermeiden wollen, so die Ministerin. Also: Konflikte wurden vorher geregelt.
Und die Inhalte? In Bärbel Höhns allgemeinem Themenkatalog stehen: Ozonloch, Erderwärmung, Gentechnik, Flächenversiegelung, Lärm, hormonartige Stoffe im Wasser. Die Probleme seien heute leider viel komplexer als früher. Die Rolle der Politik? Höhn hält es für wichtig, mehr über Ziele zu reden, die man erreichen möchte, und weniger die rechtlichen „Instrumente“ zu diskutieren. Devise: Die jungen Leute können damit nichts mehr anfangen. Überhaupt will sie „stärker moderierend“ tätig werden, die Wirtschaft einbeziehen. Wo man sich früher bemüht habe, Umweltschäden zu reparieren, sei heutzutage „vorsorgende Umweltpolitik“ gefragt. Sprich: Der Umweltschutz gehört in die Produktion.
BSE, Windkraft, Gewässerrandstreifenprogramm: Der Abend bei Bölls geriet zum munteren Galopp durch die Weiten der Umweltpolitik. Eines schien Höhn aber besonders wichtig: „Genuss“ gehört dazu, sei es beim Slow food („Neue Rezepte, mehr Muße“) oder beim Naturschutz („Fördermaßnahmen statt Restriktionen“). Ob der Goldgrünglänzende Rosenkäfer schon davon profitiert hat, blieb ungesagt. hase
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