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Das kommt mir nicht ins Haus

Däubler und Gmelin werden die Katzen auf keinen Fall heißen – Szenen einer Homo-Ehe

Zu Weihnachten wünschte ich mir eine Ratte, aber meine Mutter blieb hart. Kein Gras wuchs je über den Wunsch des Jungen, der ich gewesen war. Ebenso wenig vergaß ich mein dringendes Bedürfnis, mir ein Ohrloch stechen zu lassen, das ebenfalls vonhöchstrichterlicher Stelle verurteilt worden war. Profane Wünsche blieben Utopie. So etwas prägt. Fürs Leben.

Kaum alt genug geworden, warf ich mich bei vollem Bewusstsein in den Kugelhagel einer Ohrlochstechmaschinenpistole und trug beidseitig diverse hoch erwünschte Wunden davon. Und wie die Ohrläppchen schwoll erneut der Wunsch nach dem provokanten Heimtier, noch viele Jahre pochte dann die Narbe. In der Ehe brechen sie dann auf, die Narben.

Eine Ratte komme ihm nicht ins Haus, sagte mein Gatte. Ratten seien eklig, dieser Schwanz und so weiter. Ich erhöhte auf zwei. Michel und Gilles sollten sie heißen, nach den französischen Philosophen Foucault und Deleuze. Ein intellektueller Fortschritt, denn als junger Mann hatte ich mit dem Gedanken gespielt, dereinst zwei Dobermänner durchzufüttern, nur um in den Genuss zu kommen, durch öffentliche Parkanlagen brüllen zu können: „Adorno, Horkheimer, bei Fuß!“ Ganz und gar unmöglich, nur eine kleine Allmachtsfantasie, denn ich habe Angst vor großen Hunden und verachte Menschen, die sie in der Stadt halten. Und mein Gatte findet Ratten eklig. Fand Ratten eklig, muss es heißen. Denn eines Tages hatte er plötzlich irgendwo draußen im Leben eine Ratte getroffen, und die sei ja so süß gewesen, und wir würden eine haben, sie werde Inge Keller heißen, nach der großen alten Schauspielerin. Damit war wieder alles offen.

Nie kamen uns Michel, Gilles oder Inge ins Haus. Das Vorhaben kollidierte mit dem plötzlichen Beschluss, ein Kätzchen zu beherbergen. „Ein süßes weißes Perserkätzchen!“, jubelte ich, wurde aber informiert, es werde sich um ein schwarzes handeln, auf gar keinen Fall Perser. Also kein Perser. Aber dann eben zwei Katzen, eine weiße und eine schwarze – namens taz und FAZ! Ich war begeistert, hatte allerdings vorfürsorglich ein wenig Mitleid mit FAZ, weil niemand das Tier wirklich würde wertschätzen können. Doch der Gatte hatte ohnehin längst beschlossen, unsere Katzen H&M zu nennen. Das kam selbstverständlich nicht in Frage.

Nun wird alles gut: „Seine“ Katze soll auf den Namen Knef hören, so sie denn hören wird. Für die andere darf ich mir etwas überlegen. Vielleicht Extrabreit? Oder doch noch mal ganz von vorne beginnen? Schließlich hat doch gerade die Bundesregierung unter Fasanenfederführung der fauchigen Justizministerin den Gesetzentwurf für die Homo-Ehe eingetütet. Nein, Rot und Grün werden sie gewiss nicht heißen, erst recht nicht Däubler und Gmelin.

Ohrringe trage ich übrigens nur noch selten. Mein Gatte mag mich ohne lieber. HOLGER WICHT

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