: Gedenken im Spiegel der Vergangenheit
Am Hausvogteiplatz in Mitte erinnert seit gestern ein „Denkzeichen“ an das ehemalige Zentrum der jüdisch geprägten Modeindustrie in Berlin
von MARTIN REICHERT
Wer den U-Bahnhof Hausvogteiplatz in Richtung Spittelmarkt verlässt, wird seit gestern daran erinnert, dass der Platz einmal das Zentrum der jüdisch geprägten Berliner Modeindustrie war. In Anwesenheit des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, übergab Bausenator Peter Strieder (SPD) gestern dort ein Mahnmal der Öffentlichkeit. Das „Denkzeichen“ soll an die Vertreibung und Ermordung von Juden während der Nazizeit erinnern. Das nach dem Entwurf des Berliner Künstlers Rainer Görß gestaltete „Denkzeichen“ nutzt dazu ein für die Konfektionsbranche typisches Medium: den Spiegel.
In die Treppen des U-Bahn-Aufgangs sind Tafeln mit Namen wie Levin, Herzog und Gerson eingelassen,die Namen der früher am Platz ansässiger Modefirmen samt der Daten ihrer Gründung und der Vertreibung ihrer Inhaber. An den Seiten angebrachte Spiegel reflektieren nicht nur diese Namensschilder, sondern auch die Passanten. Eine Konfrontation von Vergangenheit und Gegenwart.
Auch die vor dem Eingang aufgestellte 2,70 Meter hohe Stele aus verspiegeltem Edelstahl setzt auf Interaktion: In ihrem Grundriss greift sie die Dreiecksform des Platzes auf, ihre Flächen bewirken eine Brechung und Wiedergabe von Mensch, Architektur und Platz.
Nach der Wende hatten sich insbesondere der Verleger Gerhard Hentrich und der Journalist und Autor Uwe Westphal („Berliner Konfektion und Mode 1836 bis 1939“) für das Denkmal eingesetzt. Der 1992 gegründeten Initiativgruppe gehört auch Lea Rosh an. Zwei Jahre später errichtete die Senatsbauverwaltung zunächst eine Informationssäule. Das jetzige Denkzeichen, Kosten rund 180 000 Mark, wurde aus Mitteln der „Kunst im Stadtraum“ finanziert. Der Bezirk Mitte wird die baulichen Unterhaltungskosten für das Mahnmal übernehmen.
Senator Strieder betonte gestern in seiner Ansprache, das Denkzeichen müsse auch Mahnung sein, „den Anfängen zu wehren“. Zugleich solle es Mut machen, so Strieder weiter, zu jeder Form von Ausländerhass und Ausgrenzung von Mitbürgern Nein zu sagen.
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