: Soundcheck
Gehört: D'Angelo, Gr. Freiheit. Ich bin die Hildegard von Bingen des Rap: Ich habe Gott gesehen. Gleich zwei Mal innerhalb von fünf Wochen. Und es war gut. Beide Male hatte allerdings D'Angelo damit zu tun. Beim D'Angelo-Protegee Common präsentierte sich die Soul-Revolution in ihrer Rap-Gestalt, und das war schon eines der bes-ten Rap-Konzerte der letzten zwölf Jahre. Doch wo Common mit Aushilfsmuckern auf Tour ging, standen sie bei D'Angelo selbst auf der Bühne: jene rund 14 Musiker um die Soulquarians, mit denen D'Angelo den zur Zeit spannendsten Sound der Welt zimmert. Es kam einem Wunder gleich, wie sie 2 1/2 Stunden zusammen spielten, präzise, frei von jeder Eitelkeit und endlos funky.
Wo Voodoo ein Jahrhundert-Soul-Album von der Größe Marvin Gayes war, orientiert sich die D'Angelo-Live-Show deutlich an den Funk-Revues der 70er Jahre, mit Pino Palladino als jungem Bootsy Collins und ?uestlove als Wiedergeburt aller funky drummer, die jemals über diese Erde gewandelt sind. Überhaupt, dieser Palladino: Wenn D'Angelo ungefähr zwei Meter groß ist, muss dieser italoamerikanische Hühne 2,50 Meter messen. Irgendwie gelang es ihm zumindest, seinen Kopf ständig im Schatten zu haben. Und ?uestlove: Stoisch, professionell schlecht gelaunt, schien der Gesichtsausdruck dieses Fleischbergs vor allem eins andeuten zu wollen. “Ich habs euch ja schon vor der Tour gesagt. Einer muss diesen Job machen. Aber wenn er diesen Job macht, dann soll er ihn goddammit auch funky machen!“
Zum von DJ-Premier produzierten „Devils Pie“ zogen die Musiker in Mönchskutten auf der abgedunkelten Bühne ein: Das hätte man für den Auftakt eines Black-Metal-Konzerts oder Männerstrips halten können.
D'Angelo gelang das seltene Kunststück, seine Band anzuleiten und dabei kein Quäntchen an Präsenz zu verlieren. Zeit, sich selbst an das Rhodes-Piano zu setzen, blieb dabei wenig; ausgiebig tat er das allein bei der über 20 Minuten gedehnten Version von “Untitled (How does it feel)“, zu der die Soultronics/Soulquarians-Musiker nach und nach die Bühne verließen. Ich habe Gott gesehen. Ein Unterhemd trug er nicht. Und ein DJ ist er auch nicht. Tobias Nagl
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