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Hundeverdauungsbeschwerde

Kampfhunde: Tierheim Süderstraße will keine mehr haben, Bürgermeister und Bürgerschaft aber wollen alle loswerden  ■ Von Peter Ahrens

Von wegen, der tut nichts, der will nur spielen. Der Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereines, Wolfgang Poggendorf, tut etwas: Er weigert sich ab sofort, weitere Kampfhunde im Tierheim Süderstraße aufzunehmen. „Wir sehen uns nicht in der Lage, die Zusammenarbeit mit dem Senat auf der Basis der neuen Hundeverordnung fortzusetzen“, sagt er. Die Sozialbehörde muss jetzt sehen, wie und wo sie die Tiere, die in den kommenden Tagen ausgesetzt oder sichergestellt werden, unterbringt: Im Gespräch sind die Zwinger der Tierversuchsanstalt im UKE.

29 Kampfhunde und neun Pitbull-Welpen hat das Tierheim in den vergangenen Tagen aufgenommen. Die MitarbeiterInnen seien an der Grenze der Belastung angekommen, eine von ihnen sei bei einer Beißerei „erheblich und dauerhaft“ verletzt worden. Zwinger gäbe es auch nicht mehr. „Wir sehen unsere Möglichkeiten überschritten“, sagt Poggendorf.

Die neue Verordnung wird von ihm erneut scharf attackiert: Alle Einzelheiten habe das Tierheim nur aus der Zeitung erfahren. Die Verordnung sei Willkür, sie fördere eine „regelrechte Hundeverdauung: Hier geht es um Massenvernichtung.“ Zudem sei eine Hunde-steuer von 1200 Mark für Kampfhundbesitzer viel zu hoch – grade für die, deren Tiere bisher nie Probleme gemacht hätten.

Der Senat wurde von der Entscheidung des Tierheims völlig überrascht. Die Sozialbehörde hält die Befürchtungen Poggendorfs aber nach wie vor für „unbegründet“. Auch wenn das Heim Kampfhunden kein Asyl mehr bieten wolle, sei „bis auf weiteres sichergestellt, dass alle aufgegriffenen Hunde untergebracht werden“. Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) hofft, dass die „konstruktive Zusammenarbeit mit dem Tierheim künftig wieder fortgesetzt werden kann“.

Ansonsten war Runde gestern in der Bürgerschaft aber nicht gewillt, von der Hundeverordnung abzurücken: „Für Kampfhunde gibt es in dieser Stadt keinen Platz“, machte er klar. Das heiße auch: „Es wird zur Tötung von Hunden kommen.“ Und es werde „selbstverständlich“ auch viele Fälle geben, in denen Besitzer ihre Hunde gegen ihren Willen abgeben müssten.

Da will auch die Opposition von CDU und Regenbogen nicht widersprechen, zu frisch ist noch die Erinnerung an die tödlichen Wilhelmsburger Kampfhundbisse, als dass man die Schwächen der Verordnung laut herausstreicht. Heino Vahldieck (CDU) und Heike Sudmann vom Regenbogen wiesen lediglich darauf hin, dass die Verordnung „naturgemäß mit glühender Nadel gestrickt“ sei, aber sie sei, so Vahldieck, „besser als nichts“.

Einmal treffen sich Poggendorf und die Politik doch: Wie der Tierheimleiter erkennt auch GAL-Fraktionschefin Antje Möller eine „Hysterie bei diesem Thema“. Mit Sudmann ist sie sich einig: „Kampfhunde sind auch ein tödliches Spielzeug von Männern in benachteiligten Gebieten.“ Daher müsse man etwas für Quartiere wie Wilhemsburg tun anstatt nur über Hunde zu reden.

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