: Mr. Green Card meint es ernst
Albert Schmid soll aus dem Bundesamt für Flüchtlinge Deutschlands erste Einwanderungsagentur machen. Der neue Präsident bereitete gestern seine Beamten auf den Umbruch vor, doch ob es dazu kommt, hängt an Bundesinnenminister Otto Schily
von PATRIK SCHWARZ
Der neue Chef verpackte den radikalen Schnitt in wattige Worte. Bei seinem Arbeitsantritt gestern in Nürnberg verkündete Albert Schmid der versammelten Belegschaft: „Das Bundesamt ist gut gerüstet für die Erfüllung seiner herkömmlichen Aufgaben“ – hier machte der Redner eine bedeutungsschwangere Pause – „wie auch für die Bewältigung gegebenenfalls weiterer Herausforderungen.“ Schmid ist jetzt Präsident eines Amtes, das sich bis 2002 neu erfinden soll – als Drehscheibe für die neue, offenere Einwanderungspolitik der rot-grünen Bundesregierung. Albert Schmid wird dann der Mr. Green Card der Bundesrepublik.
Noch heißt die mit rund 2.300 Mitarbeitern größte deutsche Ausländerbehörde so umständlich, wie sie bürokratisch ist: Bundesamt zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Bisher bestand der inoffizielle Auftrag vor allem darin, gegen Asylbescheide anerkannter Flüchtlinge zu prozessieren, um sie auf diese Weise doch noch außer Landes zu befördern. Doch wenn Bundesinnenminister Schily sich an seine Ankündigung vom vergangenen Monat hält (was bei Schily nie gewiss ist), könnte daraus Deutschlands erste Einwanderungsagentur werden.
Sichtbarstes Zeichen für Schilys ernste Absichten ist die Berufung eines Politikers, Juristen und Tatmenschen an die Behördenspitze, der für seinen rücksichtslosen Ehrgeiz bekannt ist. Als SPD-Generalsekretär in Bayern war Schmid 1995 nach einem erbitterten Kampf mit der Landesvorsitzenden Renate Schmidt zurückgetreten. Den Job in Nürnberg hat der Rechtsanwalt aus Regensburg wohl nur übernommen, weil Schily ihm Großes für die Zukunft des Amts in Aussicht gestellt hat.
Bei Schmids Amtseinführung gab der Minister sich denn auch „überzeugt, dass die Bedeutung des Bundesamtes noch weiter wachsen wird“. Schmid selbst raunte von „notwendiger Restrukturierung“ und „neuer Inanspruchnahme“, der sich das Amt weder entziehen wolle noch könne. Der 54-jährige, unter Kanzler Helmut Schmidt jüngster Staatssekretär der Republik, weiß wie man Beamte für sich einnimmt: Wenn man ihnen schon Veränderungen zumutet, dann wenigstens in staatstragendem Tonfall.
Schmids Ernennung zum Nachfolger des blassen und rückwärts gewandten Behördenleiters aus Kohl-Zeiten war als politisches Signal gedacht. Sie stellt zugleich Schilys Rückversicherung für den Fall dar, dass er den Oberbefehl über die vorgestern benannte Einwanderungskommission behält. Was auch immer die Kommission vorschlägt, müsste letztendlich von Schmids reformiertem Amt umgesetzt werden – und dessen oberster Dienstherr heißt Otto Schily.
Offen ist damit, ob Schmid als Terminator oder Schutzengel einer offeneren Einwanderungspolitik fungieren wird. Schilys Wankelmütigkeit ist durch zahlreiche öffentliche Äußerungen dokumentiert. Seine Pläne für das Bundesamt nehmen trotzdem Konturen an. Derzeit fände Zuwanderung de facto in großem Umfang über das Aylverfahren statt, sagte der Minister gestern. „Wer zu Recht fordert, dass die Frage der Asylgewährung nicht mit Zuwanderungsfragen vermengt werden soll“, muss Schily zufolge daran interessiert sein, „diese Vermengung aufzulösen“. Welche Rolle dabei eine Bundeseinwanderungsagentur spielen kann, hat er im Juni bereits kurz skizziert: „Es wäre sinnvoll, wenn das Bundesamt Asylbewerbern raten könnte, auf einen aussichtslosen Asylantrag zu verzichten und stattdessen einen Einwanderungsantrag zu stellen.“
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