: Die Demo-Muffel von Berlin
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Berliner Innensenator wollen Demonstrationen leichter verbieten können – etwa am Brandenburger Tor
BERLIN taz ■ Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) streben eine Einschränkung des Demonstrationsrechts an.
CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach und Werthebach forderten gestern die Einrichtung von „befriedeten Bezirken“, um Demonstrationen leichter verbieten zu können. „Befriedete Bezirken“ gelten bislang für Bundestag und Landesparlament. Künftig sollen sie auf Örtlichkeiten von „herausragender nationaler und historischer Bedeutung“ ausgeweitet werden. Für Berlin seien dies das Brandenburger Tor, der Standort des Holocaust-Mahnmals und die Neue Wache Unter den Linden.
Außerdem sollen Demonstrationen verboten werden können, wenn sie außenpolitische Belange der Bundesrepublik berühren. Werthebach, der seit Monaten nach Wegen sinnt, wie Demonstrationen am Brandenburger Tor eingeschränkt werden können, verwies gestern auf den dortigen NPD-Aufmarsch am 31. Januar, der internationale Empörung ausgelöst habe. Bosbach sprach von einem „Albtraum“, das in wenigen Jahren Neonazis am Holocaust-Mahnmal in unmittelbarer Nachbarschaft des Brandenburger Tores demonstrieren könnten. Die CDU will aber auch Demonstrationen an anderen Orten verbieten können, wie etwa am Kölner Dom.
Nach dem derzeit geltenden Versammlungsrecht, das 1985 durch das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt wurde, können Ort und Zeitpunkt einer Demonstration frei gewählt werden. Als Präzedenzfall für befriedete Bezirke nannte Werthebach die Olympischen Spiele 1972 in München. Damals sei das Demonstrationsrecht um die Sportstätten für die Dauer der Olympiade eingeschränkt worden.
Für die Änderung des Versammlungsrechts ist die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich. Bundesinnenminister Otto Schily will prüfen, ob das Versammlungsrecht ergänzt werden muss. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, lehnt eine Verschärfung des Versammlungsrechts strikt ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Vorschlag der Union im Bundestag eine Chance hat.“ Als nächsten Schritt will die CDU im Herbst die Innenministerkonferenz von ihrer Linie überzeugen. DOROTHEE WINDEN
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