: Das Herz zum Kochen gebracht
Am Anfang, so heißt es, sei göttliche Fügung gewesen: Die Göttin der Fruchtbarkeit, Mayáhuel – zugleich die Urmama von vierhundert trunkenen Karnickeln –, habe die Pflanze entdeckt, den Saft gegoren und den Mitgöttern und Hoheiten ihrer Zeit kredenzt. Womöglich sei der Blitz in die Agave eingeschlagen und habe das Herz zum Kochen gebracht, daraus sei ein „aromatischer Nektar“ getreten, der den Urgöttern sehr gemundet habe und auch von den Menschen als Gottesgeschenk ehrfürchtig getrunken wurde.
Lange nach der göttlichen Eingebung, als längst die gierigen Spanier im Land eingefallen waren, wurde Tequila zum Sinnbild der mestizaje, der Vermischung der Welten und Kulturen. Das schon bei den Ureinwohnern beliebte Getränk aus gegorener Agave, der pulque, wird mithilfe der aus Europa importierten Destilliertechnik zum Schnaps – dem Tequila.
Der Ursprung des Namens ist ungewiss, als sicher gilt nur, dass schon 1621 von der Herstellung eines „Mezcal-Weins“ die Rede war und die Kolonialverwaltung aus Angst um die eigenen Marktanteile dessen Produktion bis Ende des 18. Jahrhunderts verbot. Seither boomt es unaufhörlich, schon um die vorletzte Jahrhundertwende wurden zehn Millionen Liter „Mexican Whiskey“ gebrannt und vertrieben. Heute sind es fast zweihundert Millionen Liter – allerdings von höchst unterschiedlicher Qualität.
Unabhängig vom Markennamen gilt es beim Tequilagenuss zwei Dinge zu beachten: den Agaveanteil und die Lagerungsdauer. War der Tequila früher selbstverständlich zu hundert Prozent aus Agavezucker, so wurde dieses strikte Reinheitsgebot im Zuge der ersten Agaveknappheit allmählich aufgeweicht, sodass heute bis zu 49 Prozent andere Zuckerzusätze erlaubt sind.
Nach wie vor aber gilt die Hundertprozentmarke, die auf dem Etikett immer vermerkt ist und besonders bei den vielen Edelmarken der letzten Jahre wieder an Bedeutung gewinnt, als Gütesiegel.
Ebenso wichtig aber ist die Entscheidung zwischen den verschiedenen Lagerzeiten. Blanco (silver) heißt der klare scharfe Schnaps, der bis zu sechzig Tagen in Metalltanks gelagert wird, zu genießen mit aufgeschnittenen Zitronenscheiben oder einem Gläschen Sangrita, eine möglichst hausgemachte Mischung aus Chili, Tomaten- und Orangensaft. Salz gehört dagegen eher zum Touristenritual.
Der bräunliche joven (oder Gold) sieht zwar edler aus, ist aber ebenso kurz gelagert wie der blanco und nur mit Geschmacks- und Farbzusätzen und anderen Tequilasorten verschnitten – die am wenigsten zu empfehlende Variante. Weicher ist der bis zu einem Jahr gereifte reposado. Als König unter den Tequilas aber gilt der añejo, der durch ein- bis dreijährige Lagerung in Eichenfässern einen rauchig sanften Geschmack angenommen hat.
Nicht zu verwechseln ist Tequila mit jenem anderen Agavenschnaps, der zuweilen als sein hässlicher kleiner Bruder bezeichnet wird: Mezcal. Zwar gilt Mezcal, der aus anderen Agavesorten und außerhalb der Ursprungszone gebrannt wird, tatsächlich als die primitivere Variante, die weniger wegen ihres Geschmacks als vor allem wegen des exotischen – aber vollkommen geschmacksneutralen – Magueywurms am Flaschenboden bekannt geworden ist.
Wenn er gut gebrannt ist, wie beispielsweise in den traditionellen Familienbetrieben im Bundesstaat Oaxaca, stellt der Mezcal eine beachtliche, auch geschmacklich eigenständige Abwechslung zum Tequila dar – beileibe kein armer Verwandter, eher eine Art entfernter Cousin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen