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Rotes Kuddelmuddel

Hamburger PDS zerfleischt sich weiter selbst: Heute tagen parallel zwei Parteitage  ■ Von Peter Ahrens

Das Chaos hat Methode. In ihren Versuchen, das Durcheinander in immer neue Rekordhöhen zu treiben, zeigt die Hamburger PDS nachhaltige Erfolge: Für den heutigen Sonnabend haben die knapp 200 Mitglieder gleich zwei Einladungen zu Landesparteitagen im Briefkasten gefunden. Der amtierende Landesvorstand lädt für 12 Uhr in die Landesgeschäftsstelle an der Palmaille, parallel tagen andere Mitglieder schon ab 10 Uhr im ehemaligen Haus für Alle an der Amandastraße – mit dem Ziel, den alten Vorstand abzuwählen. Was für die einen „unselige Spaltung“ bedeutet, ist für die anderen „ein echter Segen“.

Die Querelen zwischen dem Landesvorstand, der Bundesspitze und zahlreichen Parteimitgliedern ziehen sich bereits seit Jahren hin. Daran hatte man sich in der PDS längst gewöhnt. Jetzt haben sich aber auch die GegnerInnen des Vorstandes entzweit. Einige, wie die Sprecherin der Kommunistischen Plattform KPF, Monika Balzer, halten die Parallelveranstaltung im Haus für Alle für einen „Putsch“. Wenn die PDS-GenossInnen in der Amandastraße einen neuen Vorstand wählen, sei das „faktisch die Spaltung“. Sie werde jedenfalls der Einladung des Landesvorstandes folgen.

Die anderen wähnen sich genauso auf der richtigen Seite. Sie haben zudem die Rückendeckung der Bundespartei. Bundessprecher Hanno Harnisch sagt: „Wenn ein neuer Vorstand gewählt würde, wäre das keine Spaltung des Baumes in der Mitte, sondern eine zwischen Baum und Borke.“ Harnisch verweist auf ein Urteil der Bundesschiedskommission der Partei vom vergangenen Wochenende. Darin sei die Veranstaltung im Haus für Alle als offiziell bestätigt worden. Von einem Putschversuch könne daher überhaupt keine Rede sein, die wahren Dissidenten sitzen für ihn an der Palmaille.

Sigrid Melanchton ist als Mitglied der Tagungsleitung beim Haus-für-Alle-Treffen eine von denen, die Balzer als PutschistInnen bezeichnen würde. Dass es mit diesem Vorstand nicht weitergehen könne, hat sie schon seit langem gesagt. Bisher habe sie in Hamburg damit jedoch keine Mehrheit gefunden, das habe sich erst nach dem vergangenen PDS-Bundesparteitag in Münster geändert. Auf dem Parteitag waren die Hamburger Delegierten durch Störaktionen gegen die Parteiprominenz Gysi und Bisky aufgefallen und anschließend heftig in die Kritik geraten (taz berichtete). „Viele Parteimitglieder waren schon seit langem genervt. Münster hat denen den entscheidenden Anstoß gegeben“, ist Melanchton jetzt sicher, die meisten Hamburger PostsozialistInnen hinter sich zu haben. Die Kritik Balzers trägt sie mit Fassung: „Die hat in der Vergangenheit so oft ihre Meinung geändert, das nehme ich nicht mehr so ernst.“

Welcher der beiden Versammlungsorte heute besser besucht sein wird, sei offen, sagen Balzer und Melanchton. Die Sprecherin der KPF weiß nur: „Die Basis ist inzwischen völlig desorientiert.“ Die Situation in der Hamburger PDS sei „schon vorher fatal gewesen, aber was sich jetzt abspielt, kann niemand mehr nachvollziehen“. Und Meinhard Meuche-Mäker, der das Hamburger Regionalbüro der Bundestagsfraktion betreut, glaubt: „Viele werden mit Entpolitisierung reagieren und zu keiner der beiden Veranstaltungen gehen.“

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