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Kahlschlag im Park: Schicke neue Schneise

■ Durch den Wätjen's Park in Bremen-Nord wurde eine Trasse geschlagen, obwohl es bereits eine Straße gab / Die Stadt hätte dies verhindern können, wenn sie letztes Jahr Wätjen's Park gekauft hätte / Doch ein Grundstücks-Spekulant war schneller

Die Bulldozer haben in Blumenthal ganze Arbeit geleistet: Eine Schneise bis zu zwölf Metern Breite verläuft am westlichen Rand des verwunschenen Wätjen's Garten. Rund hundert geschützte Bäume und ein Feuchtbiotop mussten der neuen Trasse weichen.

Warum das Ganze? Der Autoimporteur Egerland hat für seine Ansiedlung auf dem ehemaligen Vulkan-Gelände eine direkte Anbindung an die Autobahn verlangt. Hinzukommen wird noch ein paralleles Bahngleis, das zum Teil über die Blumenthaler Aue führen und das wertvolle Gewässer in seiner ökologischen Funktion erheblich beeinträchtigen wird.

Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD) stimmte dem Vorhaben samt Kahlschlag schon im Vorwege zu – vor Rechtskraft des Bebauungsplans und dem Ende der Beteiligungsverfahren. Eigentlich sollten die Bäume durch die beschleunigte Genehmigung schon vor der Vogel-Nistzeit fallen, um die Tierbestände nicht unnötig zu gefährden. Die Klage einer Anwohnerin verzögerte dann aber alles so weit, dass die über hundert Jahre alten Bäume mitten in der Brutzeit fielen und der ökologische Schaden so noch gravierender wurde. „Letztlich haben wir Umweltverbände in der Sache überhaupt nichts erreicht“, sagt Peter Müller vom BUND. Die Beteiligungsverfahren nennt er „eine Farce“.

Dabei waren Alternativen zur neuen Trasse durchaus denkbar, sagt Klaus Möhle, der in Lesum lebende Grünen-Parteisprecher: Die benachbarte Wollkämmerei hatte bereits ein eigenes Bahngleis. Aber eine Verlängerung auf ihr Grundstück lehnte die Firma Egerland ab, weil das zu viel Nutzfläche gekostet hätte. Auch der Bau der Straße war nicht unausweichlich: Neben den alten Erschließungsstraßen über das Werfttor existiert eine schnurgerade Asphaltstraße von der „Schweinsweide“ des alten Vulkan-Betriebes zur Landrat-Christians-Straße quer durch Wätjen's Park. Sie hätte mit geringem Aufwand zur LKW-Zufahrt umgebaut werden können, ohne im großen Stil alte Baumbestände zu fällen. Doch es gibt ein rechtliches Problem: Wätjen's Park ist in Privatbesitz. Ein Immobilienspekulant erwarb den historischen Park samt Sommerschlösschen 1999 zum Schnäppchen-Preis von zwei Millionen Mark aus der Vulkan-Konkursmasse, der Schätzwert lag bei 6,7 Millionen Mark. „Das hätte nie passieren dürfen“, kritisiert Klaus Möhle, Landesvorstandssprecher der Grünen.

Hätte die Stadt damals zugegriffen, könnte sie sich heute frei für die beste Erschließung entscheiden. So verbot der neue Eigentümer sogar die Durchfahrt von Baufahrzeugen während der Wiederaufbereitung der Vulkan-Industriebrache. Anwohner vermuten deswegen, er habe das Grundstück von vornherein an die Stadt weiterverkaufen wollen und wolle durch die Schließung der Straße seinen Forderungen Nachdruck verleihen. Zumindest, dass er in Wätjen's Park nicht würde bauen dürfen, hatte das Bauamt Bremen-Nord dem Käufer seinerzeit deutlich gemacht.

Gut möglich, dass sein Kalkül noch aufgeht: Für die Umweltschäden durch die Egerland-Trasse muss die Stadt ökologische Ausgleichsmaßnahmen vornehmen. „Wir müssen mehr als dreimal so viel Fläche entsiegeln, wie wir asphaltieren“, stöhnt Günther Stachowski, bei der städtischen „Bremer Investitions-Gesellschaft“ (BIG) für die Vermarktung des Vulkan-Geländes zuständig. Dafür bietet sich vor allem ein großer Parkplatz in Wätjen's Park an. „Wir verhandeln derzeit mit dem Eigner über eine Einigung“ sagt Holger Bruns, Sprecher der Umweltbehörde. Ob das einen Kauf bedeutet, will er noch nicht sagen.

Ein Erwerb durch die Stadt wäre vermutlich teurer als vor einem Jahr, würde aber auch eine neue Chance bedeuten: Wätjen's Park und der Rest von Wätjen's Garten bisher noch hinter einem rostigen Eisenzaun versteckt, könnten restauriert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Im Bauamt Bremen-Nord schlummern solche Pläne schon lange in der Schublade. Und die teuren Ausgleichsmaßnahmen erscheinen doppelt sinnvoll, wenn die Menschen in Bremen-Nord wieder durch den Park aus dem 19. Jahrhundert lustwandeln könnten. Das durften sie sogar zu Zeiten des Reeders „Christel“ Wätjen wenigstens an einem Tag in der Woche, damit sie bewundern konnten, welch edle Sommerresidenz im englischen Tudor-Stil er sich geleistet hatte. not

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