: Der Charme des Clubs Mc Britz 66
„Jenseits von Mitte“, Teil 1: Gründe um nach Britz zu fahren. Im Süden der Hauptstadt leben die Kleinbürger Neuköllns, die Minigolfplätze aus den 70er-Jahren und Spagettieis lieben. Nach der Arbeit wird in den Gärten der Mehrfamilienhäuser gegrillt
von KIRSTEN KÜPPERS
Wer das „PARK HOTEL BLUB“ passiert, ist auf dem richtigen Weg. Die Bebauung wird niedriger. Britz ist der kleinbürgerliche Teil von Neukölln. Den Traum vom eigenen Haus und Garten haben sich hier viele mindestens in einer Laubenkolonie verwirklicht. Die Autobahn nach Dresden ist nicht weit. Buschkrugallee 176 ist ein kleines, geducktes Haus. „Minigolfclub Mc Britz 66 e. V.“ steht an der Wand.
35 Jahre lang bewirtschaftet Hans-Joachim Drexelins den Platz, mit gebaut hat er ihn auch. „Damals gab es einen Minigolf-Boom“, sagt er. Die Mode der 60er-Jahre kommuniziert sich in den roten Pilzlampen, die auf dem Gelände stehen, dem verblichenen Anstrich der 18 Bahnen und ihren verheißungsvollen Namen. Die Stationen heißen „Vulkan“ oder „Niere“.
Minigolfplätze haben oft diesen verwaschenen Charme. Die Farben errinnern an erste Colorbilder im Fotoalbum, an Pixi-Bücher, Fix und Foxi, Wassereis und die Normalität einer familiären Freizeitbeschäftigung im Sommer, die in der Realität bei anderen Grundschulfreunden immer perfekter gelebt wurde als bei einem selber. Der „Mc Britz 66“ hat dieses Lebens- und Hobbygefühl in besonderer Weise konserviert.
An der Bahn mit den Geranienkästen mühen sich zwei junge Frauen mit engen Hosen, den Ball zu treffen, eine Gruppe von Teenie-Jungs leiht sich bei Drexelins Schläger aus, am Wochenende kommen Väter mit ihren Kindern. Minigolf ist keine übrig gebliebene Sportart für die Generation 50 plus. Der beste Turnierspieler von „Mc Britz 66“ schafft es, den Ball auf jeder Bahn auf Anhieb zu versenken. Profis haben für jede Witterung einen anderen Balltyp. Fünf Mark kostet eine Partie. Für Sach- und Körperschäden auf dem Platz wird nicht gehaftet.
Im Winter ist der 59-jährige Hans-Joachim Drexelins arbeitslos. Von März bis Oktober sitzt er jeden Tag bis 22 Uhr in seinem Büdchen. Im Hintergrund läuft ein Fernseher. Die Verwaltung der „Nervensache Minigolf“ fasziniere ihn nach wie vor. „Mars und Snickers wird wenig gekauft. Bifi ist gerade am meisten gefragt“. Ein Auf und Ab im Beruf, das ihn zufrieden beschäftigt hält. Hinter den Büschen rauscht der Verkehr vorbei.
Ein paar hundert Meter weiter Richtung Dresden liegt das Eiscafé „Adriatic“. Eine Eisdiele, wie man sie aus westdeutschen Kleinstädten kennt. Alle treffen sich dort nachmittags zum Spagettieis. Weil es Sommer ist. Und weil es in den umliegen- den Mehrfamilienhaussiedlungen sowieso nichts Besseres zu tun gibt. Das Grillen mit den Nachbarn fängt erst später an. Der melancholisch wirkende kroatische Kellner isst selbst nie Eis. Mit traurigem Blick sagt der große Mann: „Ich mag nur Ćevapčići.“
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