: Der Trumpf des Präsidenten
Kolumbiens Präsident braucht Hilfe, denn er führt einen Krieg. Die Frage ist nur: Kämpft er gegen den Drogenhandel oder die Farc-Guerilla
von INGO MALCHER
Andrés Pastrana hat eine Strategie für den Frieden und eine für den Krieg – und beide verfolgt er gleichzeitig: So lässt Kolumbiens Präsident regelmäßig Regierungsvertreter in die von der Farc-Guerilla kontrollierte Zone reisen, um über ein Friedensabkommen zwischen Freischärlern und Regierung zu verhandeln. Zugleich bittet Pastrana die USA um Militärhilfe, die den Konflikt anheizt. Sollten die Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Guerilla scheitern, will der kolumbianische Präsident Andrés Pastrana ein As im Ärmel behalten: Es heißt „Plan Colombia“, soll der Drogenbekämpfung dienen und ist von US-Präsident Bill Clinton bereits bewilligt.
Viele Drogenanbaugebiete in Kolumbien werden von der Farc kontrolliert. Sie schützt dort die Kokabauern und kassiert Steuern und Gebühren von den Drogenbaronen, die in ihrer Zone mit Kleinflugzeugen landen, um ihre Ware auszufliegen. „Mit dem Feldzug gegen die Kokapflanzen wird die soziale Basis der Guerilla zerstört“, sagt der Soziologe Ricardo Vargas. Damit ist für ihn klar, dass mit dem erbitterten Widerstand der Farc rechnen muss, wer in der Farc-Zone Kokapflanzen mit Pilzerregern besprühen will, wie es der Plan Colombia vorsieht. Um zu den Pflanzen zu gelangen, müssen die Anti-Drogen-Bataillone an den Truppen der Farc vorbei, die nicht dabei zusehen werden, wie ihre lukrative Einnahmequelle zerstört wird.
Die Farc kritisierte die US-Hilfe denn auch als „moderne Form der Aufstandsbekämpfung.“ Der Scheck von Clinton sei eine „Bedrohung für die Friedensverhandlungen“. Doch die sind ohnehin festgefahren. Bislang konnten sich Regierung und Farc noch nicht einmal auf einen Waffenstillstand einigen.
Im kolumbianischen Militär hält man wenig von den Friedensbemühungen des Präsidenten. Mit den neuen Black-Hawk-Hubschraubern aus den USA hofft das Militär, der Guerilla im Kampf überlegen zu sein. Doch auch die Farc hat genug Geld für neues Kriegsgerät. Zwar hat das Militär mit seinen neuen Hubschraubern schon einige Gefechte gegen die Farc gewonnen, doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Farc Flugabwehrraketen in ihrem Arsenal hat. Die US-Hilfe führt zu gegenseitiger Aufrüstung. Zwischen den Fronten bleibt die Zivilbevölkerung zurück.
Ihr Vertrauen in die Streitkräfte sinkt von Tag zu Tag, weil die staatlichen Institutionen sie nicht schützen. Zwar haben die Menschenrechtsverletzungen durch Armeeangehörige erheblich abgenommen. Allerdings wurden gleichzeitig mehr Übergriffe der rechtsgerichteten Paramilitärs auf Zivilisten gemeldet. Der Grund: Nach Feierabend wechseln viele Soldaten die Uniform und gehen mit so genannten Selbstverteidigungskomitees auf Patrouille. Die Zusammenarbeit geht sogar so weit, dass die Armee beide Augen zudrückt, wenn Paramilitärs ein Massaker an Zivilisten verüben. So geschehen in La Cabara in der Provinz Santander, wo die Armee bei einem Massaker von Paramilitärs an Zivilisten zugesehen hat. In der Ortschaft Juradó an der Grenze zu Panama wurde kürzlich die panamesische Flagge gehisst. Die Bewohner wurden mehrfach von Guerilla und Paramilitärs überfallen und wollten das Land wechseln, weil sie sich vom kolumbianischen Staat nicht beschützt fühlen.
Die Nachbarländer Kolumbiens fürchten, dass wegen der Militäraktionen des Plan Colombia kolumbianische Guerilleros auf ihr Territorium übertreten könnten. Ecuador fürchtet, dass sich der kolumbianische Bürgerkrieg auf das Nachbarland ausweiten könnte. In Peru hofft die Regierung vor allem eins: dass die kolumbianischen Kokabauern nicht vor dem Militär über die Grenze fliehen.
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