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„Nur ein Prozent Ausfall“

Der neue Leiter des Landesschulamtes, Ludger Pieper, will den Unterrichtsausfall reduzieren. Ein Gespräch über ein geplantes Karussell für Lehrer, schwerfällige Behörden und Schüler als Kunden

Interview: JULIA NAUMANN

taz: Herr Pieper, Sie sind seit zwei Wochen Chef des Landesschulamts, der größten nachgeordneten Behörde, die als chaotisch und nicht besonders gut organisiert gilt. Sie verwalten 40.000 LehrerInnen, von denen ein Großteil unzufrieden mit den Bedingungen an den Schulen ist. Wie fühlen Sie sich?

Ludger Pieper: Ich fühle mich sehr wohl. Entgegen dem öffentlichen Ruf habe ich überhaupt nicht den Eindruck, das chaotische Zustände herrschen. In der Behörde arbeitet eine große Anzahl von Mitarbeitern, die sehr engagiert sind. Sie bemühen sich, mit den schwierigen finanziellen und personellen Ressourcen gute Ergebnisse für die Schulen zu erzielen.

Was sind denn die größten Probleme, die Sie in den nächsten Monaten anpacken wollen?

Das wichtigste ist die Unterrichtsversorgung für das nächste Schuljahr. Wir haben in diesem Jahr das Problem, dass der Landeshaushalt und damit auch der Stellenplan sehr spät verabschiedet worden ist. Es war lange nicht klar, wie viele zusätzliche Lehrerstellen wir bekommen werden. Deswegen ist die Zeit relativ knapp, um alles zu organisieren.

Warum müssen 285 Lehrer aus dem Ostteil in den Westteil versetzt werden? Dieses „Lehrerkarussell“ hat scharfe Kritik ausgelöst.

Im Ostteil der Stadt gibt es einen großen Überhang an Lehrern aufgrund des Geburtenknicks. Der größte Bedarf besteht allerdings in den gymnasialen Oberstufen im Westteil. Deswegen müssen wir Grundschullehrer aus dem Osten an Grundschulen in den Westen versetzen. Die Grundschullehrer im Westen wechseln wiederum an Oberschulen, weil sie die Befähigung haben, auch dort zu unterrichten.

Es wird auch kritisiert, dass Lehrer, die 25 Jahre Englisch an einer Grundschule unterrichtet haben, es an einem Gymnasium schwer haben werden.

Man muss das relativieren. Es gibt allein 100 Anträge von Grundschullehrern, die an andere Schularten wechseln wollen. Außerdem haben wir eine Lehrerausbildung, die nicht den klassischen Grundschullehrer kennt. Das ist in anderen Bundesländern anders, und dort wird eine Menge Geld gespart, weil sie kürzer ausbilden. Wir bilden die Lehrer mit zwei Wahlfächern aus, die dann eine Lehrberechtigung bis Klasse 10 haben. Diese Grundschullehrer werden aber genauso bezahlt, als ob sie an Oberschulen bis Klasse 10 unterrichten. Jetzt müssen wir diesen Anspruch auch einmal einlösen. Das halte ich für zumutbar.

Trotz der Lehrerumsetzungen wird von vielen Schulen prognostiziert, dass es wieder zu massiven Unterrichtsausfällen während des ganzen Schuljahrs kommen wird.

Jede Schule kann einen Stundenplan machen, und das bereits seit Wochen. In diesen Stundenplänen werden vielleicht maximal fünf Prozent, aber meistens zwei oder ein Prozent der Besetzungen noch nicht klar sein. Deswegen kann man aber noch lange nicht von Notstundenplänen reden. Es handelt sich um einen normalen Vorgang.

Dennoch herrscht das ganze Jahr über Unterrichtsausfall an vielen Schulen. Das hat das Landesschulamt nicht im Griff.

Ja, das stimmt. Aber die Stellen, die wir jetzt haben, reichen aus, um den Unterricht abzudecken. Zum Unterrichtsausfall kommt es aufgrund von Krankheiten, Mutterschutz und Pensionierungen. Wir werden in den nächsten sechs Wochen alle Erfahrungen noch einmal bündeln und uns überlegen, wie man mit diesem Problem fertig werden kann. Diese Steuerungsinstrumente werden wir allen Schulen zur Verfügung stellen. Es soll eine Anregung sein, wie man vor Ort konkret Unterrichtsausfall vermeiden kann. Eine Schule muss eine klare Zielsetzung haben, und die muss heißen, dass die Erteilung von Unterricht die höchste Priorität hat. Alles andere ordnet sich unter.

Das ist sicherlich anstrengend, denn einige Schulen haben sich ein bisschen daran gewöhnt, dass bei Krankheit die nächstliegende Antwort eben ist, dass der Unterricht ausfällt. Aber vielleicht kann auch ein Lehrer, der ein anderes Fach hat, diese Klasse in seinem Fach unterrichten. Sozusagen vorbeugend, denn jeder kann in Zukunft auch mal krank werden.

Gibt es noch weitere Überlegungen?

Die Weiterbildung wird künftig ohne Unterrichtsausfall oder nur nach 15 Uhr stattfinden. Man könnte sich auch überlegen, dass alle schulischen Konferenzen grundsätzlich nur am Nachmittag stattfinden. Wir haben auch erreicht, dass wir für ausscheidende Lehrer schneller neue einstellen können. Das ist eine wesentliche Verbesserung.

Mein Ziel ist es, dass zukünftig maximal ein Prozent des Unterrichts ausfällt. Das ist aus Erfahrung von Schulen, die sich darum bemüht haben, eine erreichbare Größe.

Das Landesschulamt, das 1995 gegründet wurde, gilt als unflexibel und schwerfälliger Koloss. Wollen Sie wieder zurück zu dezentraleren Außenstellen im Bezirk?

Dieses Schuljahr wird bereits in anderer Art und Weise organisiert als in den vergangenen vier Jahren, die vielleicht etwas zu zentral gesteuert wurden. Die Beamten in den Außenstellen sind vor Ort und organisieren die Schulen. Das Landesschulamt versorgt sie mit Daten. Ab dem nächsten Jahr, nach der Bezirksreform, sollen die Außenstellen neu organisiert werden, damit sie ortsnaher und flexibler werden.

Sie waren Schulleiter an der Max-Taut-Oberschule. Dort lautete einer der Leitsätze, dass der Schüler die wichtigste Person an der Schule sei und keine Störung, sondern der Zweck der Tätigkeit eines Lehrers ist. Kann man diese Philosophie auch auf Ihre Behörde übertragen?

Wir müssen an Schulen künftig stärker von Kunden und Dienstleistungen sprechen. Dieser Grundgedanke kann auf das Landesschulamt übertragen werden. Es wird in der Verwaltungsreform ja auch ein Qualitätsmanagement gefordert. Die Anlaufstellen für die Lehrer sollen kundenfreundlicher werden. Wenn man eine Telefonnnummer wählt, muss sie auch erreichbar sein. Es wird über ein Call-Center nachgedacht. Wir wollen die Lehrer pfleglicher behandeln. Die Schule hängt von Menschen ab. Und daran wird sich nichts ändern.

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