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Grüne gründen neue Grüne

Den Grünen im Saarland sind bereits 600 Mitglieder weggelaufen. Schuld sei das „Duo Infernale“ an der Spitze, sagen Dissidenten und gründen eine Alternative

LOSHEIM taz ■ Als Mitglied der Grünen, sagte das Parteimitglied Jürgen Mill, sei es im Saarland nicht mehr möglich, „vernünftige grüne Politik zu betreiben“. Mittwochabend, Losheim, Landkreis Merzig-Wadern. Wie Mill sind die hier Versammelten ehemalige Parteigänger des maroden grünen Landesverbandes. Sie sind sich einig – es brauche eine neue politische Plattform. Grün-Alternative Liste (GAL) heißt der an diesem Abend neu gegründete „politische Verein“. Die Mitglieder stehen mit ihren Namen für grüne Politik nicht nur im Saarland. Henry Selzer etwa, ehemaliger Schatzmeister der Bundespartei und Mitglied im Bundesvorstand. Auch der komplette Kreisvorstand der Grünen ist der GAL beigetreten. Und in der Landeshauptstadt Saarbrücken soll schon die erste Filiale der GAL enstehen.

Alleine in Saarbrücken und in den Vorstädten seien bis zu 50 Leute ausgetreten, berichtete das ehemalige Landesvorstandsmitglied Simone Peter in Losheim. Die GAL soll der von den beiden grünen Skandalnudeln – Hubert Ulrich und Andreas Pollak – in eine ganz tiefe Krise gestürzten Grünen überall Konkurrenz machen: mit Billigung der (Noch-) Grünen aus der Landeshauptstadt. Man werde gerne mit der neuen GAL zusammenarbeiten, sagte Simone Peter auch. Doch das „Duo Infernale“ könne ihrer Überzeugung nach nur innerhalb der Partei wirksam bekämpft werden.

Ulrich betrieb als grüner Landtagsabgeordneter einen schwunghaften Handel mit Kraftfahrzeugen, die er zuvor mit Rabatten, die Mandatsträgern beim Autokauf eingeräumt wurden, erworben hatte. Der ehemalige grüne Landtagsabgeordnete Pollak wurde beim Diebstahl von Badematten erwischt.

Überall im Saarland verlassen derzeit Grüne ihre Partei – vermehrt nach der letzten Landesdelegiertenversammlung (LDV) im Juni. Da hatten die ehemaligen Landtagsabgeordeten Ulrich und Pollak mit der Mehrheit ihrer „Scheindelegierten“ (Peter) im Rücken einen zehnköpfigen Vorstand von eigenen Gnaden installiert, dessen Mitglieder sich alle aus ihnen treu ergebenen Kreisen rekrutieren. Die Grünen an der Saar sind längst ein Familienbetrieb. Und für den Sprecher der Grünen in Saarbrücken, Christian Bersin, jetzt auch „endgültig eine Lachnummer“.

Ulrich und Pollak wird vorgeworfen, ihren großen Verwandten- und Bekanntenkreis zum Eintritt in die Partei ermuntert zu haben, um auf diese Weise die LDVs der Grünen zu beherrschen. Viele der damals im Eilverfahren Angeworbenen sollen längst nur noch „Karteileichen“ sein. Begünstigt wird die Position von Ulrich und Pollak durch mehr als 600 Parteiaustritte in den letzten Monaten. Gegangen sind vor allem Mitglieder, die in Opposition zu beiden standen.

Die GAL werde dagegen „endlich wieder grüne Politik machen für die Wählerinnen und Wähler“, so Gründungsmitglied Jochen Selzer, Bruder von Henry und grünes Urgestein aus dem Landkreis Merzig-Wadern. Schließlich seien die Bündnisgrünen nach den „Narreteien“ von Ulrich und Pollak bei den letzten Kommunalwahlen im Frühjahr 1999 „voll abgeschmiert“ und nur noch in acht Städten und Gemeinden des Saarlandes vertreten. Und mit 3,2 Prozent bei den Landtagswahlen habe die Partei dann noch einmal eine „glatte Bruchlandung hingelegt“.

In Weiskirchen, Losheim und Mettlach gibt es jetzt keine Mitglieder der Grünen mehr. Die verbliebenen Parteimitglieder werden sich warm anziehen müssen, denn die „Vernetzung“ sei durchaus schon jetzt ein Thema für die GAL, sagt Henry Selzer selbstbewusst. Schließlich suchten an der Saar viele Menschen mit einem „grünem Herzen“ eine neue Heimat.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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