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Keine Nachricht, aber Neuigkeiten

Offiziell wissen die israelischen Medien nichts. Doch immer wieder werden sie mit Details aus Camp David gefüttert: Außer in der Jerusalem-Frage sollen sich Barak und Arafat in allen Punkten geeinigt haben

JERUSALEM taz ■ Der Gipfel in Camp David ist offiziell vorbei, doch die Gespräche dauern an. Unter Vermittlung von Außenministerin Madeleine Albright wollen die beiden Seiten weiterverhandeln, bis Präsident Bill Clinton am Montag von seiner Reise zum G-8-Gipfel in Okinawa zurückkehrt. Berichten des israelischen Hörfunks „Kol Israel“ (Stimme Israels) zufolge wird eine Einigung bis dahin nicht ausgeschlossen. Emanuel Rosen, politischer Reporter des zweiten israelischen Fernsehkanals in Camp David, resümierte die Verhandlungen sogar schon: Das bisherige Scheitern eines Vertrages sei einzig der Hartnäckigkeit der Palästinenser zuzuschreiben. Während Israels Premierminister Ehud Barak dem in der Nacht zum Donnerstag vorgelegten Papier der Amerikaner fast vollständig zugestimmt hätte, stelle sich Palästinenserpräsident Arafat vor allem in der Jerusalemfrage nach wie vor strikt gegen jeden Verzicht.

„Die Israelis müssen verstehen, dass Jassir Arafat in Sachen Jerusalem einfach nicht verzichten kann“, erklärte dagegen der palästinensische Minister für Jerusalem-Angelegenheiten, Siad Abu Siad. Ohne eine Regelung für die den beiden Seiten heilige Stadt werde es keine Vertragsunterzeichnung geben. Den Palästinensern geht es um volle Souveränität über Ost-Jerusalem, bestätigte der arabisch-israelische Knesset-Abgeordnete Achmad Tibi, der gestern mit dem Palästinenserpräsidenten telefonierte. Doch auch die Israelis stimmen dem US-Voschlag mit Blick auf die Lösung für die Jerusalemer Altstadt offenbar noch nicht zu. Den Berichten nach schlug Barak den Palästinensern bislang nur eine Verwaltungsautonomie für die arabischen Wohnviertel in der Stadt vor, während die Sicherheitskontrolle Angelegenheit der Israelis bleiben soll. Die Altstadt würde – ginge es nach Barak – zur Hälfte unter israelische und zur Hälfte unter palästinensische Verwaltungskontrolle fallen.

Baraks Telefonate

Trotz der totalen Nachrichtensperre, die die Amerikaner über die Gespräche verhängten, sickern vor allem an die israelischen Medien Details über die Entwicklungen in Camp David durch. „Bis auf Jerusalem sind alle Punkte fast vollständig geregelt“, wusste die Tageszeitung Ma’ariv. Die Journalisten beziehen sich in der Regel auf „ein wichtiges Mitglied in der israelischen Delegation“ oder auf Telefonate, die Barak mit Politikern in Jerusalem führt. Allerdings wollte der Koalitionsvorsitzende Ofir Pines bereits am Mittwoch die angeblich „bevorstehende Abreise des Premierministers“ bestätigen können, während der Sprecher des Weißen Hauses in Camp David sie bis zum Abend leugnete.

Die liberale Tageszeitung Ha’aretz zitierte aus einem Schreiben Baraks an Präsident Clinton: „Zu meinem Bedauern muss ich einsehen, dass die Palästinenser nicht bereit sind, sachbezogen über den End-Status zu verhandeln.“ Er selbst sei trotz der „politischen Schwierigkeiten“ in Israel zum Gipfel gekommen. Wenn es nicht doch noch Entwicklungen in letzter Minute gebe, „müssen die Palästinenser das tragische Versäumnis dieser Chance verantworten“. Demgegenüber zitiert die Ma’ariv Jassir Arafat mit dem Vorwurf an den israelischen Premierminister, er sei nicht gekommen, um Frieden zu machen, sondern „um zu demonstrieren, dass er an seinen ,roten Linien klebt‘“.

Die strikten Verhandlungsgrenzen, mit denen Ehud Barak nach Camp David fuhr, sind nach Ansicht des arabisch-israelischen Abgeordneten Hashem Machamid von der Vereinigten Arabischen Liste Grund für die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen: „Ich wusste von Anfang an, dass angesichts Baraks „fünf Neins“ nichts in Camp David herauskommen wird“.

Für die Opposition in Jerusalem ist Ehud Barak hingegen „schon viel zu weit gegangen“, so Likud-Chef Ariel Scharon. In Camp David seien Bedingungen geschaffen worden, die alle künftigen Verhandlungen mit den Palästinensern erschweren würden.

Schaul Yahalom von der National-Religiösen Partei erklärte: „Jetzt weiß jeder, welches die wahren Positionen Ehud Baraks sind“. Demnach würde Barak „95 Prozent von Judäa und Samaria – dem Westjordanland – abgeben und zigtausende Flüchtlinge zurückführen“. Yahalom schloss dennoch eine Rückkehr in die Koalition nicht aus – vorausgesetzt die Verhandlungen scheiterten. Und der Likud plant, umgehend nach Baraks Rückkehr aus den USA ein Misstrauensvotum gegen die Regierung einzubringen: aufgrund der „Verhandlungsweise in Camp David und den Konsequenzen“.SUSANNE KNAUL

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