: Der Coup des Westentaschen-Berlusconi
Die Telecom Italia kauft sich einen Fernsehsender. Das darf sie zwar nicht. Aber die Regierung wird’s schon durchwinken
ROM taz ■ Seit 1994 in der italienischen Politik aktiv, im Hauptberuf aber Chef einer TV-Holding und nebenher noch Eigner eines Erstliga-Fußballclubs – wer dächte da nicht gleich an Silvio Berlusconi? Doch es gibt einen zweiten, auf den dieser Steckbrief ganz genauso passt. Vittorio Cecchi Gori heißt der oft als „Berluschino“, als Westentaschen-Berlusconi, Verspottete, der mit den beiden Telemontecarlo-Wellen TMC und TMC 2 im Privatfernsehen mitmischt, wenn er nicht gerade damit befasst ist, den Trainer des AC Florenz zu entlassen oder als Senator der im Regierungslager stehenden katholischen Volkspartei in der Politik mitzumischen.
Anders als der mächtige Konkurrent aber hatte Cecchi Gori mit dem 1995 begonnenen Ausflug ins TV-Business kein Glück. Der seit Jahren als Filmproduzent und -verleiher überaus Erfolgreiche brachte die TMC nie über einen Marktanteil von knapp drei Prozent hinaus und muss nun mit einem auf 500 bis 800 Millionen Mark geschätzten Verlustberg fertig werden.
Doch jetzt zieht Cecchi Gori die Bremse: Der Mehrheitsanteil an TMC steht zum Verkauf. Und ein potenter Interessent ist auch schon da: die Telecom Italia. Sie will über Tochterfirmen zum stolzen Preis von etwa einer Milliarde Mark etwa 70 Prozent von TMC übernehmen, wie die Telecom am Montag mit einem knappen Kommuniqué bestätigte. Man wolle mit den reichen Filmarchiven der TMC der eigenen Internet-Plattform neue Inhalte verschaffen und zugleich die Telecom als modernen Multimedia-Konzern abrunden, heißt es in der Firmenzentrale. In der Tat wäre die Telecom mit dem Zukauf überall präsent: im Festnetz- und Handy-Telefonverkehr, im Internet, im Bezahlfernsehen (die Firma kontrolliert im Pakt mit Rupert Murdoch Stream, einen der beiden italienischen Pay-TV-Anbieter) und jetzt auch im Free-TV. Eine ganz normale Sache also – will Telecom Italia glauben machen.
Doch das Geschäft schlägt hohe Wellen. Mit gutem Grund: Die neue Allianz würde die Karten im italienischen TV-Markt vollkommen neu mischen. Bisher hatte die schwachbrüstige TMC keinerlei Chance, das Duopol der staatlichen RAI und der von Berlusconi kontrollierten Mediaset zu knacken; die beiden Großanbieter halten mit ihren je drei TV-Ketten über 90 Prozent Marktanteil.
Doch nach dem Deal wäre die Telecom Gegner für die beiden Riesen, und der Medientycoon Berlusconi, im Nebenberuf Oppositionsführer, hätte dank seiner Doppelrolle nicht nur den unternehmerischen, sondern auch den politischen Schaden.
Entsprechend begeistert reagierten die Politiker des Regierungslagers, Berlusconi dagegen verdammte das Vorhaben sogleich als „gesetzwidrig“ und warf der Koalition vor, sie messe mal wieder mit zweierlei Maß.
So pikant dieser Vorwurf aus dem Munde eines Mannes klingt, der sein eigenes Medienimperium im rechtsfreien Raum aufgebaut hat – in diesem Falle ist Berlusconi kaum zu widersprechen: Das italienische Mediengesetz versagt der Telecom als Inhaberin einer staatlichen Telefonkonzession tatsächlich den Einstieg ins TV-Geschäft. Das sei kein Problem, heißt es dazu aus dem Regierungslager – das Gesetz könne man ja „interpretieren“. So drängt sich ein Verdacht auf, den die regierungsnahe Repubblica offen aussprach: Rechtzeitig vor den nächsten Wahlen wolle die Koalition sich einen befreundeten Privatsender verschaffen. MICHAEL BRAUN
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