: Gezwungen zu Ackerbau und Rüstung
■ Landwirtschaft und Waffenindustrie haben von NS-Zwangsarbeit in Schleswig-Holstein am meisten profitiert
Die Landwirtschaft und die Rüs-tungsindustrie in Schleswig-Hol-stein haben weitaus am stärksten von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg profitiert. Zu diesem Ergebnis kommt ein wissenschaftliches Gutachten des Instituts für Regional- und Zeitgeschichte der Flensburger Universität, das ges-tern in Kiel von Professor Uwe Danker vorgestellt wurde. Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) würdigte das 730 Seiten umfassende Werk, das einen Beitrag leisten könne, „die beschämend langwierige Diskussion um die Entschädigung der Zwangsarbeiter voranzubringen“.
Gestützt auf Archive und besonders auf Daten der Allgemeinen Ortskrankenkasse Schleswig-Holstein sowie des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes erhoben Danker und sein Kollege Professor Robert Bohn erstmalig präzise Daten für eine Region. Dabei kamen sie auf insgesamt etwa 225.000 während der NS-Zeit in Schleswig-Holstein beschäftigte „Fremdarbeiter“, Kriegsgefangene und ausländische Häftlinge aus Konzentrationslagern. Im damaligen Reich wird mit etwa acht Millionen gerechnet. Nach Angaben der Wissenschaftler wurden im nördlichsten Bundesland wesentlich mehr Ausländer als im damaligen Reichsdurchschnitt beschäftigt.
Die mit Abstand stärkste Gruppe bildeten 1944 etwa 57.000 so genannte Ostarbeiter aus der Sowjetunion, gefolgt von etwa 37.000 Arbeitskräften polnischer Nationalität sowie 11.000 Franzosen. Etwa 46 Prozent wurden in der Landwirtschaft, rund 35 Prozent in der Rüs-tungsindustrie eingesetzt. Im öffentlichen Dienst – mit Reichsbahn, Gaswerken oder Dienstleis-tungen – waren etwa zehn Prozent beschäftigt. Das zeige, so die Autoren, „dass die öffentliche Hand selbst durchaus nennenswert von Zwangsarbeit profitierte“.
Im Blick auf die Entschädi-gungsdebatte stellten die Autoren fest, dass – nach Zahlen aus einem beispielhaft ausgewählten Kreis – 38,7 Prozent der Zwangsarbeiter aus den Jahrgängen 1920 bis 1929 stammten. Sie wären heute also zwischen 71 und 80 Jahre alt.
Eine „eindeutige und zu verallgemeinernde Tendenz“ ergibt sich nach Meinung der wissenschaftlichen Autoren aus Zahlen über zehn nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Dörfer: 80 bis 95 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe beschäftigten danach ausländische Arbeitskräfte. lno
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