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Kaiser Wilhelm II: „Gefangene werden nicht gemacht“

Endlich mal wieder ein richtig schön runder Gedenktag: Heute vor genau 100 Jahren, am 27. Juli 1900, hielt Kaiser Wilhelm II. vor dem Dampfer „Batavia“ in Bremerhaven seine berüchtigte „Hunnenrede“. Sie wissen schon: der Mann, der die Bartmode einer ganzen deutschen Geschichtsepoche prägte und noch heute als Inbegriff nationaler Selbstüberschätzung gilt. Frisch gestärkt von den Sommerferien auf der Familienjacht („Hohenzollern“), nutzte der Monarch seinen Landgang für markige Worte vor stramm stehenden Soldaten.

Zum „Hundertjährigen“ präsentieren wir Ihnen nun die denkwürdigste Passage der kaiserlichen Rede. Schließlich sind Auslandseinsätze deutscher Truppen – genau darum ging es nämlich im Jahr 1900 – auch hundert Jahre später ein aktuelles Thema. Und: Wilhelm sei Dank wurden seine Landsleute fortan „Hunnen“ geschimpft.

Also, auf geht's, oder – wie der alte Kaiser sagen würde – mit Volldampf voraus! Zitat: „Kommt Ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, ... so möge der Namen Deutscher in China auf 1.000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!“

Anlass der imperialistischen Entgleisung, die im In- und Ausland für heftige Erschütterungen sorgte, war die Entsendung von 20.000 Soldaten nach China. Den Transport übernahmen der norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerika-Linie. Wilhelm II. hatte die Expedition angeordnet, nachdem im Zuge des Boxer-Aufstands ein deutscher Diplomat zu Tode gekommen war. Wenigstens in Ostasien wollten die wilhelminischen Deutschen, die sich als Kolonialmacht „zu kurz gekommen“ fühlten, zeigen, wo der Hammer wirklich hängt.

Dass der Chef beim Auftritt am neuen Bremerhavener Vorhafen allerdings so vom Leder zog, erschreckte sogar seine eigenen Mitarbeiter. Sie verdonnerten die Presse, den Text nur in entschärfter Form zu veröffentlichen. Dass das Original überliefert wurde, ist einem widerbors-tigen Reporter einer Lokal-Zeitung zu verdanken. Der Kaiser selbst soll die Zensur übrigens gar nicht gut gefunden haben. Sein Einwand: „Sie haben ja gerade das Schönste weggestrichen.“ hase/Foto: Archiv

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