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: Dr. Mottes Futon und Paul Kuhn im Kokaintraum

Kein Bier auf Hawaii

Kürzlich wurden ja in den Wochenmagazinen die allerneuesten Erkenntnisse der Drogenforschung veröffentlicht: Ecstasy macht doch dumm, bei Drogen weiß man nie, was drin ist. Über Wechselwirkungen und soziale Folgen weiß die Mainstreampresse natürlich immer noch nicht Bescheid.

Hier also ein kleiner Drogenratgeber für Eingeweihte und die, die es werden wollen: Heroin ist ein starkes Beruhigungsmittel. Wer den ganzen Tag spritzt und abends trotzdem nicht schlafen kann, darf sich nicht wundern, wenn Baldrianpillen nicht wirken. Ähnlich ist es bei Kokain: Wer sich munter ein Gramm nach dem anderen hochzieht und irgendwann mal müde wird, den macht ein Tässchen Kaffee auch nicht mehr wach.

Besonders fatal sind drogenbedingte Fehleinschätzungen wie z. B. die verfrüht festgestellte Seelenverwandtschaft. Hier ist höchste Vorsicht geboten. Nur weil beide in der Jugend mal Dostojewski gelesen haben und aus der Pfalz kommen, hat das Leben sie nicht durch unauflösliche Bande verknüpft. So ein Seelenverwandter ist manchmal schwer loszuwerden! Auch vor der Überbewertung intellektueller Erkenntnisse sei gewarnt. Bevor man damit an die Öffentlichkeit geht, empfiehlt es sich, einige Tage abwarten. Hier machen auch Erfahrene Fehler. Zum Beispiel wird ja der arme Dr. Motte wegen seiner diesjährigen Rede auf der Love Parade arg verlacht. Mein Gott, lasst ihn doch mal in Ruhe!, will man schon mitleidig Partei ergreifen.

Wahrscheinlich war es so: Motte lag, leicht angeturnt durch eine freundliche Naturdroge, auf seinem Futon und wälzte sich: „Mensch, was sag ich denn dieses Jahr auf der Love Parade! Die Leute erwarten was Besonderes, ich darf sie nicht enttäuschen!“ Da flüsterte ihm die Teufelsdroge einen saudummen Slogan ein. Was macht Motte? Nimmt die Vision für bare Münze. Stellt sich am Tag der Liebesparade vor die Raver, nimmt eine Muschel in seine gebenedeiten Hände, hält sie hoch, hält kurz inne und segnet das Volk mit den Worten: „Back to se ruts, die Welt ist Klang.“ Wer wollte da hämisch sein, wer den ersten Stein werfen?

Ich selbst hatte schon ähnliche Erlebnisse. Ein Zeitlang war es mir zur lieben Gewohnheit geworden, wenn ich voll im Drogenrausch noch wach lag und keinen Schlaf fand, berühmte Werke der Popmusikgeschichte stundenlang textlich im Kopf durchzugehen. Eines nachts fiel mir so das schöne Lied „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ von Paulchen Kuhn ein.

In der ersten Strophe wird, aus männlicher Sicht, die Geschichte einer reiselustigen Frau, die ihren Mann vergeblich zum Fernurlaub zu überreden versucht, erzählt: „Und sie will nach Hawaii und sie will nach Hawaii, doch das fällt mir so unsagbar schwer“. Dann kommt der Clou. Der Refrain steigert sich ins Unermessliche, schunkelt sich zum Wahnsinn hoch: „Es ist so heiß auf Hawaii, kein kühler Fleck und nur vom Hula Hula geht der Durst nicht weg.“

Genial!! dachte ich, schrie ich fast, noch voll im Kokainrausch. Vom Hula Hula . . . ! Ist das toll!! Darauf muss man erst mal kommen!! Die nächsten Stunden grübelte ich, feurig inspiriert, darüber nach, ob das deutsche Sprichwort „Durst ist schlimmer als Heimweh“ von diesem Lied abgeleitet, wurde oder ob es sich eher umgekehrt verhält. Als ich nach zwei Tagen die einmalige Schönheit des Lieds meiner Band nahebringen und eine Coverversion anregen wollte, verstand mich keiner. Allerdings nahm mich auch niemand mehr ernst, seit ich mich mal auf Ecstasy in eine Ikea-Leselampe verliebt hatte, weil die so bescheiden und unprätentios freundlich in die Wand geschraubt war.

CHRISTIANE RÖSINGER