: Sonderegelungen
Von der WHO ist die Rechenschwäche als Krankheit anerkannt, nur die Krankenkassen tun sich schwer
Vor der Therapie muss die Diagnose – die Art und das Ausmaß der Rechenschwäche – genau feststehen. Ein Therapeut arbeitet mit dem Kind und stellt ihm Fragen. Elternfragebögen, Analysen von Hausaufgaben, Klassenarbeiten und Schulzeugnisse liefern Ergänzungen und Bestätigungen. Steht eine Rechenschwäche fest, sollte eine vorübergehende Sonderstellung in der Schule angestrebt werden, zum Beispiel Hausaufgabenbefreiungen, Befreiung von Klassenarbeiten und Notenaussetzungen in Mathematik sowie individuelle Versetzungsregelungen.
In fast allen Bundesländern gelten inzwischen Verwaltungsvorschriften, in denen Sonderregelungen, zumindest im Grundschulbereich, für lernschwache Kinder vorgesehen sind. Die Bereitschaft der Lehrer, für Maßnahmen wie Rechenschwächetherapie unterstützend zu wirken, ist inzwischen relativ groß.
Es gibt keine anerkannten Maßstäbe für die Behandlung der Dyskalkulie. Auf jeden Fall sollte sie als Einzeltherapie in einem vertrauensvollen Miteinander Kind – Therapeut stattfinden. Schritt für Schritt kann das Kind sich so ein Wissen erarbeiten, über das es selbst verfügt. Ist diese Bedingung erfüllt, bietet eine ein- bis dreijährige Therapie (eine Therapiestunde pro Woche) gute Erfolgsaussichten.
Obwohl die Rechenschwäche von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit angesehen wird, tun dies die Krankenkassen nicht. Wenn Krankenkassen die Kosten übernehmen, erkennen sie damit den vorhandenen „Krankheitswert“ der Rechenschwäche an – im Hinblick auf die Prävention einer Psychotherapie oder die Rehabilitation bei Behinderung.
Kinder mit einer Rechenschwäche sind von seelischer Behinderung bedroht, wenn nicht schon betroffen. Jugendämter beurteilen die „drohende seelische Behinderung“ nach strengen Anforderungen, getrennt von der vorhergehenden Diagnose der Rechenschwäche. Ein vom Jugendamt akzeptierter Arzt oder Psychologe muss die „drohende seelische Behinderung“ attestieren. In vielen Fällen führt diese Regelung zu einer Kostenübernahme – und zwar einkommensunabhängig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen