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SPD schafft Arbeitsplatz im Netz

Nach der Sommerpause will der Landesverband einen Internet-Beauftragten ernennen. Schon länger bemüht sich Fraktionschef Wowereit um ein moderneres Image für seine Partei. Dafür besucht er auch schon mal ein Start-up-Unternehmen

von RALPH BOLLMANN

Dank der Jobmaschine Internet ist jetzt auch bei der SPD ein neuer Posten zu vergeben: Der Berliner Landesverband wird nach der Sommerpause einen Netz-Beauftragten ernennen. „Wir wollen so jemanden suchen und auch finden“, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Ralf Wieland gestern. Einen Kandidaten gebe es noch nicht. Vorbild sei die Bundes-CDU, die im Frühjahr den Geschäftsführer der Berliner Werbeagentur Scholz & Friends, Thomas Heilmann, zu ihrem „Internet-Sprecher“ berufen hatte.

Bei den Berliner Sozialdemokraten ist es vor allem Fraktionschef Klaus Wowereit, der sich um ein moderneres Image für die 22,4-Prozent-Partei bemüht. Bislang debattierten die hauptstädtischen Genossen mit Leidenschaft Themen der „Old Economy“ wie die Zukunft der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. In der Außenwirkung wurde die Berliner SPD vorzugsweise als Partei der Modernisierungsverlierer in Problembezirken wie dem Wedding wahrgenommen.

Die „neue Mitte“ hingegen, als Begriff von der rot-grünen Bundesregierung geprägt, überließ die Landes-SPD bereitwillig der christdemokratischen Konkurrenz. Exkultursenator und Wahlkampfstratege Peter Radunski (CDU) förderte die Kunstszene rund um die Auguststraße. Und sein früherer Pressesprecher wechselte eigens zu einer jungen PR-Agentur in Mitte, um dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ein kreatives Wahlkampfkonzept auf den Leib zu schneidern.

Dabei will Wowereit nicht länger tatenlos zusehen. Gleich nach seiner Wahl im Dezember startete der SPD-Fraktionschef das Modernisierungsprogramm. Erster Schritt: Auf einer Fraktionsklausur zu Jahresbeginn trat Heilmann, der da sein CDU-Parteibuch noch nicht herauskehrte, als Gaststar auf. „Heilmann wäre auch Internet-Beauftragter der SPD geworden“, glaubt Wowereit, „wenn ihn die Bundespartei nur gefragt hätte.“

Ab in die neue Mitte

Vor drei Wochen lud Wowereit zum Pressefest der SPD-Fraktion just in den Hof der „Kunst-Werke“, dem Epizentrum der Galerienszene in Mitte. Ausstellungsmacher Klaus Biesenbach, unter Sozialdemokraten bislang als CDU-Zögling verschrien, führte Genossen und Gäste durch die neueste Ausstellung in dem aus Lottogeldern schick renovierten Bau. In solchem Ambiente konnte sich selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigen, ohne einen Imageschaden fürchten zu müssen.

Am Montagabend schließlich, Schritt Nummer drei, besuchte Wowereit die Internetfirma „Yellout“ – naturgemäß im Beisein der Presse. Pflichtgemäß bewunderte der Fraktionschef das kreative Chaos einer Kreuzberger Fabriketage. In einem Nebenraum mit abgewetztem Sofa, Tischfußball und Holztisch ließ er sich bei Sandwichs und Kaffee aus Ikea-Tassen die Nöte eines Start-up-Unternehmens nahe bringen.

Der Wirrwarr der staatlichen Hilfen ist für Existenzgründer zu undurchsichtig? „Förderprogramme“, notiert Wowereit artig auf einem Blatt Papier. Es fehlt an Räumen, die junge Firmen kurzfristig beziehen und ebenso schnell wieder verlassen können? „Büroflächen“, schreibt der Fraktionsvorsitzende. Die Kontakte zu den Hochschulen könnten besser sein? „Vernetzung“, steht jetzt auf dem Zettel.

Immerhin: Nicht zu allem sagt Wowereit Ja und Amen, bloß weil die Branche gerade „hip“ ist. Ob die Yellout AG denn außer den zehn Millionen Mark Risikokapital, die vier Firmen investierten, schon einen Pfennig eingenommen hat? „Nein“, antwortet Geschäftsführer Patrick Setzer mit entwaffnender Offenheit. Erst vom kommenden Jahr an sollen die Firmen, deren Diensleistungen „Yellout“ als eine Art „Gelbe Seiten“ für Fortgeschrittene anbietet, dafür auch zahlen. Wie viele dann abspringen, ist ungewiss.

Natürlich muss ein Sozialdemokrat auch nach dem Betriebsrat fragen. „Das ist ein klassisches Old-Economy-Instrument“, bescheidet ihn der Yellout-Chef. Die Mitarbeiter seien „unser größtes Kapital“, sie gelte es „zu hegen und zu pflegen“. Eine Interessenvertretung sei folglich überflüssig.

Es bleibt bei einer freundlichen Distanz zwischen Politik und „New Economy“. Die Jungunternehmer wissen: Das neu erwachte Interesse der Parteien ist alles andere als uneigennützig. Auch die von CDU-Senator Wolfgang Branoner geführte Wirtschaftsverwaltung sei „keine Hilfe“, sagt Setzer – im Gegenteil: „Man will uns eher vor den Karren spannen.“

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