handy für obdachlose: Anschluss an moderne Zeiten
Es klingt wie eine Idee zum Piepen. Obdachlose sollen Handys bekommen, fordert eine Initiative. Und das Sozialamt soll auch noch dafür zahlen. Demnächst werden sie also auf der Parkbank sitzen und per Mobiltelefon ihre Leidens- und Trinkgenossen anfunken: „Hey, Ede, ich hock hier im Tiergarten, komm mal rüber!“ Leicht kommt man in die Versuchung, die Idee als Quatsch abzutun.
Kommentar von GEREON ASMUTH
Doch die Sinnlosigkeit von Handygebrabbel trifft man auch jetzt schon allerorten. „Ja, ich sitz hier gerade in der U-Bahn. Kannst du ’ne Pizza mitbringen“, labert es durch Bus und Bahn. Die Oberflächlichkeit von Kommunikation im Zeitalter der elektronischen Verbindung kann also kein Argument gegen Handys für Obdachlose sein.
Bei genauerem Hinsehen erscheint ein Mensch ohne festen Wohnsitz als geradezu perfekter Nutzer eines Telefons ohne Festnetzanschluss. Niemand ist schlechter zu erreichen. Niemand ist stärker aus einer Gesellschaft und Arbeitswelt ausgegrenzt als ein Mensch ohne moderne Kommunikationsmittel. Sie könnten ein Weg aus dem Teufelskreis sein: ohne Wohnung kein Job, ohne Job keine Wohnung.
Die Anbieter sollten sich gegenüber Obdachlosen also so flexibel zeigen, wie es ihre Produkte schon sind. Und die Sozialverwaltung darf sich nicht von vornherein taub stellen. Ein Mobilfon ist zwar nicht die Lösung für jeden Obdachlosen. Aber genauso wenig ist ein positiver Effekt auszuschließen. Wenn die Finanzierung eines Festanschlusses für Sozialhilfeempfänger in Ausnahmefällen möglich ist, muss das auch für Wohnungslose gelten.
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