: Russenmafia gegen Scheidungspaar
■ Wegen Spielschulden wurde Vladimir R. zum Erpresser / Resultat: eine merkwürdige Rechnung
Ein Mann, der von seiner Frau geschieden wird, ist nur noch die Hälfte wert. Dieser Meinung ist ein Mann mit dem Namen Vladimir R., der gestern im Bremer Amtsgericht vor dem Kadi stand. Die Anklage: Räuberische Erpressung in drei Fällen. Das Motiv: Spielschulden, entstanden durch unzählige Aufenthalte im Casino, finanziert mit geliehenem Geld von Freunden und Verwandten. Um die Schulden begleichen zu können, brachte der bis dahin unbescholtene Familienvater die russische Mafia ins Spiel. Und machte eine merkwürdige Rechnung auf.
Aber der Reihe nach: Um das schnelle Geld zu machen, begab sich der 44-jährige Ukrainer, der seit Anfang der Neunziger mit seiner Familie in Deutschland lebt, ins Spielcasino Böttcherstraße. Bei seinem ersten Besuch war ihm Fortuna noch wohl gesonnen: Er gewann 25 Mark. Doch das Glück verließ ihn, und sein Schuldenberg wuchs.
Im Dezember vor zwei Jahren war es dann so weit: Bis zum Hals in den Miesen, suchte er nach einer Lösung – und fand sie in Frau M., der Schwiegertochter einer Bekannten. Deren Mann arbeitete damals in Moskau. Das brachte Vladimir R. auf eine Idee: Er rief bei seinem Opfer an und stellte sich als Sympathisant der russischen Mafia vor. Wenn der Frau das Wohlergehen ihres Mannes am Herzen läge, müsse sie ihm sofort 3.000 Mark zahlen.
Eingeschüchtert und aus Angst um ihren Gatten, ließ sie sich auf den Deal ein. Was aber tat der unbelehrbare Angeklagte mit seiner Beute? Anstatt einen Teil seiner Schulden zurückzuzahlen, setzte er sich wieder an den Spieltisch – erfolglos. Er rief erneut bei Frau M. an. Die dachte aber gar nicht daran, auf die wiederholte Forderung von 3000 Mark einzugehen, sondern wandte sich an die Polizei. Das Verfahren wurde nach drei Monaten wegen fehlender Hinweise auf den Täter eingestellt.
Ein Jahr ging ins Land, in dem Vladimir R. weiterhin geliehenes Geld im Spielcasino verprasste – insgesamt 15.000 Mark. In seiner Verzweiflung sah er nur noch einen Ausweg: Zum dritten Mal rief er bei Frau M. an und verschärfte seine Drohung: „Im Falle der Nichtzahlung werden die Leute, die hinter mir stehen, ihren Ehemann einfach umbringen, da sie grausame Mörder sind“, drohte R. Frau M. indes hatte von dessen Anrufen die Nase gestrichen voll: Sie lebe inzwischen von ihrem Mann getrennt, log sie, um endlich ihre Ruhe zu haben.
Und dann das: Ganz nach dem Motto „Ein geschiedener Mann ist nur noch halb so viel wert“, reduzierte der Angeklagte seine Forderung auf 1.500 Mark. Sein Entgegenkommen nützte ihm allerdings wenig: Der Anruf konnte zurückverfolgt werden, einen Tag später stand die Polizei bei seinem damaligen Arbeitgeber auf der Matte.
„Es war ein Kreis ohne Ausgang“, beschrieb der 44-Jährige, der gestern wie ein Häufchen Elend vor dem Richter saß, seine damalige Situation. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf betonte er immer wieder, wie entsetzlich Leid ihm die ganze Sache tue.
Da er das erpresste Geld inzwischen zurückgezahlt hat und sich in einem Brief bei seinen Opfern entschuldigte, ließ der Richter Milde walten. Das Urteil: 14 Monate auf Bewährung und der wöchentliche Besuch einer Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige. kate
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen