: Ein Mensch, eine Stimme
■ Der Shareholder-value-Mentalität zum Trotz: In Bremen findet Anfang September der erste Genossenschaftstag statt
In einer Zeit, wo der „shareholder value“ immer stärker in den Vordergrund rückt, wirken sie wie die Dinosaurier der Ökonomie: die Genossenschaften. Nachdem viele von ihnen in AGs umgewandelt wurden, gibt es in Bremen heute noch 27 Gesellschaften, „welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb bezwecken“.
Manche davon tragen klingende Namen wie „Schönere Zukunft“, „Bremer Blumen“ oder „anders wohnen“. Ihnen gemeinsam ist das „e.G.“ am Ende. Und dieses kleine Anhängsel hat nach Meinung einiger Vertreter aus der Bremer Alternativszene durchaus Zukunft.
Wie schön wäre es etwa gewesen, aus den Bremer Stadtwerken eine Energie-Genossenschaft zu machen, meint Bernd Scheda vom Kulturzentrum Lagerhaus, wo am 7. September der erste Bremer Genossenschaftstag stattfinden soll. Eine Stadtwerke e.G. hätte Tausende von Mitgliedern haben können – mit direktem Einfluss auf die regionale Energiepolitik.
Die Projekte, die seit den selbstverwaltungsbestrebten 80er Jahren in Bremen tatsächlich verwirklicht wurden, sind ein paar Nummern kleiner, aber es gibt sie – vor allem im Bereich Wohnen und Dienst leistung. Die „Assistenzgenossenschaft“ beispielsweise, die von gehandicapten Menschen ins Leben gerufen wurde, macht heute sechs Millionen Mark Umsatz. Man habe sich damals bewusst für diese Gesellschaftsform entschieden, da sie wesentlich demokratischer sei als andere, erinnert sich Genosse Horst Frehe.
Ein Mensch, eine Stimme: Durch dieses Prinzip wird die Entscheidungsgewalt von der Höhe der Kapitaleinlage getrennt. Außerdem: Die Beschäftigten sollen mit den Eigentümern identisch sein, Produkte und Dienstleistungen sollen sich am Gebrauchswert orientieren – Nachhaltigkeit würde man das heute nennen.
Doch diese hehren Ziele werden durch die Realität konterkariert: Die Bremer Genossen vermissen staatliche Unterstützung in der finanziell schwierigen Gründungsphase einer e.G. – etwa in Form eines Starthilfefonds. Da die einzelnen Geschäftsanteile sehr klein sind – zum Teil betragen sie nur 100 Mark – bekommen Gründungswillige nur schwer Kredite. Auch sei die Rechtslage in Sachen Haftung unklar, die Bütokratie immens.
Trotzdem: Scheda sieht die Wirtschaftsform der „e.G.“ als zeitgemäßen Weg, eine solidarische Ökonomie zu organisieren. Auf dem Genossenschaftstag will man an der Zukunft der zwei kleinen Buchstaben arbeiten. hase
Infos: Lagerhaus, Tel. 701461
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