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Höhere Kurse, niedrigere Dividenden

Private Anleger profitieren auf lange Sicht nur dann von der Steuerreform, wenn sie auf kurzfristige Kursgewinne setzen. Oder wenn sie ohnehin schon viel Geld verdienen. Nur die Übergangszeit bietet noch andere Möglichkeiten. Wird die Aktie vor dem Verkauf 12 Monate gehalten, bleibt sie steuerfrei

Für die Macher ist „das Ding“ durch. Gerhard Schröder spielt Tennis auf Mallorca, Hans Eichel sitzt auf einer Nordseeinsel und macht sich „über alles Gedanken, nur nicht über Steuern und Finanzen“. Für alle anderen dagegen hat die Rechnerei angefangen. Rund 60 Milliarden Mark Steuererleichterung sind zu verteilen, mögliche neue Steuerschlupflöcher nicht mitgezählt. Für Lohn- und Einkommensteuerzahler, also Angestellte, Selbstständige und Personengesellschaften, gibt es Tabellen. Kapitalgesellschaften rechnen Pi mal Daumen mit mindestens 11.000 Mark Ersparnis pro 100.000 Mark Gewinn. So weit, so einfach. Schwieriger wird es für private Anleger.

„Ob ein Aktionär sich zu den Gewinnern oder Verlierern zählen kann, hängt davon ab, warum er Aktien kauft“, heißt es beim Deutschen Steuerberaterverband: Will er von kurzfristigen Kursgewinnen profitieren, oder bevorzugt er die langfristige Anlage, bei der er vor allem die Dividenden mitnimmt?

Gilt Ersteres, hat der Anleger durchaus Chancen, an der Steuerreform mitzuverdienen. Anders als in anderen Ländern ist sein Gewinn weiterhin steuerfrei, wenn er die Aktien vor dem Verkauf mindestens 12 Monate gehalten hat. Und wenn er nicht so lange warten will, braucht er ihn künftig auch nur zur Hälfte statt wie bisher komplett zu versteuern. „Diese Erleichterung ist allerdings vor allem als Versuch zu verstehen, wieder mehr Leuten zur Steuerehrlichkeit zu verhelfen“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Da Spekulationsgewinne für die Finanzämter nur schwer zu kontrollieren sind, tauchen sie bislang ohnehin in kaum einer Steuererklärung auf.

Interessanter dürfte deswegen für die meisten Anleger die Reform bei den Körperschaftsteuern sein, von denen alle börsennotierten Gesellschaften profitieren, die Gewinn machen. Umstritten ist allerdings, welche Auswirkungen diese Reform auf die Kurse haben wird. „Ein Großteil der Gewinnerwartungen ist schon bei den Börsenrallyes kurz vor Weihnachten, als in Eichels Entwurf plötzlich die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne auftauchte, und nach der Zustimmung des Bundesrates vorweggenommen worden“, glaubt DSW-Steuerspezialist Kurz. „Wahnsinnige Entwicklungen“ erwarte er nicht mehr. „Für die meisten Unternehmen ist die Luft raus“, schätzt auch der Analyst einer großen süddeutschen Bank. Kollegen von anderen Banken dagegen rechnen für die Dax-Konzerne mit Steigerungen von jährlich 7 bis 9 Prozent. Und manch einer prognostiziert, dass es ab 2002 erst richtig interessant wird, wenn Kapitalgesellschaften ihre Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften tatsächlich steuerfrei verkaufen dürfen. Allerdings sind sich die Experten einig, dass sich die Kursgewinne dann vor allem auf die Banken, Versicherer und Versorger konzentrieren, die entsprechende Beteiligungen abstoßen könnten.

Bei der Dividende sieht es für viele private Anleger sehr viel schlechter aus. Hier hat sich Eichel gegen den Rat von Ökonomen und den Widerstand der Anlegerverbände durchgesetzt und das bisherige Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren umgestellt. „Der allergrößte Teil der privaten Aktionäre wird von seinen Dividenden kaum noch etwas haben“, sagt DSW-Sprecher Kurz. Und Rüdiger von Rosen, Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts (DAI), glaubt, „dass die Anleger nun auf den Hauptversammlungen verstärkt dafür eintreten, dass die Gewinne einbehalten werden“, und auf die Realisierung von Kursgewinnen umsteigen.

Berechnungen verschiedener Institute bestätigen, dass die überwiegende Zahl der Aktionäre künftig schlechter gestellt wird, während eine Minderheit von Aktionären mit sehr hohem Einkommen weniger Steuern zahlen muss als bisher. Bislang bekommt jeder Dividendenempfänger eine Gutschrift über die 30 Prozent Körperschaftsteuer, die das Unternehmen schon auf den ausgeschütteten Gewinn gezahlt hat. Damit sollte die Doppelbesteuerung vermieden werden. Schließlich muss der Aktionär die Bruttodividende mit seinem normalen Einkommensteuersatz versteuern – allerdings nur, wenn sie den Sparerfreibetrag von jetzt 3.100 Mark überschreitet. Liegt der Gewinnanteil eines Aktionärs in einem Jahr also bei 3.000 Mark, bekommt er derzeit rund 2.100 Mark als Bardividende ausgezahlt und zusätzlich die 900 Mark gutgeschrieben, die die AG bereits abgeführt hat. Unterm Strich kommt er netto wie brutto weg.

Nach dem neuen Halbeinkünfteverfahren versteuert die AG jeden Gewinn mit einer „definitiven“ Steuer von 25 Prozent. Gutschriften gibt es nicht mehr. Dafür muss nur die Hälfte der Dividende mit der Einkommensteuer verrechnet werden. Bei 3.000 Mark Gewinnanteil bleiben dem Aktionär dann lediglich 2.250 Mark, obwohl er seinen Sparerfreibetrag noch nicht ausgeschöpft hat. Hat er ihn dagegen schon überschritten, hängt es von der Höhe der Dividende und dem eigenen Steuersatz ab, ob ihm der Systemwechsel Vor- oder Nachteile bringt. Laut DAI steht ein Alleinstehender mit einem Jahreseinkommen von 150.000 Mark und einem Gewinnanteil von 3.000 Mark künftig beispielsweise um rund 230 Mark günstiger da, bei einem Gewinnanteil von 10.000 Mark erhöht sich das Plus sogar auf gut 760 Mark.

„Grob gesagt, gehört zu den Verlierern, wer weniger als 75.000 Mark brutto verdient“, so DAI-Geschäftsführer Rüdiger von Rosen. Das wären immerhin rund 70 Prozent aller Dividendenempfänger in Deutschland. Die restlichen 30 Prozent zahlen im Vergleich zum jetzigen Verfahren umso weniger Steuern, je mehr sie verdienen.

Ab einer bestimmten Preisklasse dürfte sich aber auch der Aufwand für eine Anlage in Ländern lohnen, die eine niedrigere Gewinnsteuer verlangen. Oder die ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland haben, das im Prinzip wie das Anrechnungsverfahren funktioniert: Die meist 15-prozentige Quellensteuer, die ausländische Anleger dort in der Regel zahlen, wird vom deutschen Fiskus weiterhin gutgeschrieben – und bei der Bruttodividende können die Empfänger dann noch die Vorteile des Halbeinkünfteverfahrens mitnehmen.

Für die Systemumstellung hat Eichel eine Übergangsfrist von einem Jahr eingeräumt. So haben Kleinaktionäre zumindest noch ein Jahr die Chance, noch einmal richtig von einem Nebeneffekt der veränderten Unternehmenbesteuerung zu profitieren, der aus der Abschaffung der unterschiedlichen Körperschaftsteuer auf einbehaltene (40 Prozent) und ausgeschüttete (30 Prozent) Gewinne resultiert. Bislang bekamen Kapitalgesellschaften, die ihre Gewinne zunächst einbehielten, also mit 40 Prozent versteuerten, dann aber doch ausschütteten, die zu viel gezahlte Steuer vom Finanzamt zurück. Laut DSW-Sprecher Kurz sollen die Konzerne inzwischen rund 73 Milliarden Mark an Erstattungsansprüchen zusammengesammelt haben. Nach dem neuen einheitlichen Körperschaftsteuertarif entfällt die Gelegenheit zur verspäteten Steuerrückholung. Eichel hat den Konzernen jedoch auch hier eine Schonzeit eingeräumt: Bis 2016 können sie sich einen Teil ihrer früher gezahlten Steuern wieder zurückholen, indem sie höhere Dividenden ausschütten. Jürgen Kurz: „Wir werden auf den Hauptversammlungen im nächsten Jahr Druck entwickeln, dass die Unternehmen möglichst viel davon ausschütten, solange das Anrechnungsverfahren noch gilt.“ BEATE WILLMS

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