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Giebelborsten für die Kimme

Ein Kreuzberger ist der Analbürstenkaiser von Deutschland: Schröder bürstet sie alle

Bei „Bürsten & Bilder“ in der Heimstraße 22 in Berlin-Kreuzberg gibt es im Schaufenster allerhand zu sehen. Unter der Devise „Praktisch denken – Bürsten schenken“ stellt die Kleinfirma „Bürsten Schröder seit 1866“ Kratzbürsten, Stubenbesen und Spinnenfeger, vor allem aber „Schröder’s Analbürste“ aus. Was ich zunächst für einen Scherzartikel halte, entpuppt sich als ernsthaftes Angebot. In einem Faltblatt preisen gleich drei Gesundheitsfachleute „die ultimative Körperpflege für den gesundheitsbewußten Menschen“ an: „Die Bedeutung, die heute der Zahnbürste für die Mundhygiene zukommt“, schreibt zum Beispiel der Apotheker Hagen Haese, „wird bald Schröder’s Spezialbürste für die Analhygiene erlangen.“

Um den Mann hinter den falschen Apostrophen und den veritablen Bürsten kennen zu lernen, suche ich nach dem Schild mit den Öffnungszeiten. Das Ladenlokal erweist sich als Attrappe: Wer sich für den Kauf oder weitere Bürsteninformationen interessiert, muss entweder telefonisch mit Volker Schröder einen Termin vereinbaren – (0 30) 6 92 78 94) – oder kann Schröders Bürstenstand sonntags bei schönem Wetter auf dem Ökomarkt am Marheinekeplatz besuchen.

Ich treffe Volker Schröder in seiner Werkstatt. Erst seit 1985 setzt der 58-jährige schlanke Hanseate die seit 1866 bestehende Bürstenmachertradition seiner Familie fort. Was zunächst als einmalige Unterstützung für seinen 85-jährigen Vater und legendären „Tassenbürstenkönig von Norddeutschland“ auf dem Lübecker Weihnachtsmarkt begann, wurde Nebenberuf. „Mein Standbein“, sagt Schröder, „ist meine Arbeit als Buchhalter beim Berliner Mieterverein. Mein Spielbein gehört dagegen den Bürsten.“

Das Spielbein liegt zurzeit auf dem Dachboden seines Hauses. In der kleinen, von Regalen voller Bürstenkartons umgebenen Werkstatt gibt mir Schröder eine Kostprobe seines Handwerks. Es ist eine fisselige Arbeit. Mit Hilfe dünner Drahtschlingen zieht er Pferdehaarbüschel um Pferdehaarbüschel durch die Löcher eines vorgefertigten Rohlings.

Augenzwinkernd erzählt er: „In einer Bürstenmacherfamilie benutzt man keine Schwämme, um sich zu waschen. Man schrubbt den Körper mit einer Bürste ab.“ Mit dieser Einleitung beginnt auch das Analbürsten-Kapitel seines 1992 veröffentlichten Buchs „Igel für Deutschland“, das er mir in die Hand drückt. Dort heißt es: „Als ich mich das letzte Mal abschrubbte, fiel mir auf, daß man mit einer normalen Badebürste nicht gut in die Kimme kommt. Da schoß mir der geniale Gedanke durch den Kopf: Schröder’s Analbürste! Das sollte eine Bürste sein, bei der die Borsten dachförmig abgeschert wurden, so daß eine Spitze – quasi ein Giebel – entstand, mit der man optimal die Kimme und den Analbereich säubern und massieren konnte.“

Damit, wie Schröder schreibt, „mein Vater noch erlebt, daß ich der Analbürstenkaiser von ganz Deutschland werde“, ließ er seine Bürste patentieren: als Standardmodell in Buche oder Esche und als Luxusmodell in Birnbaum oder Olive. Die kochfeste Bürste gibt es in drei Härtegraden: weich, mittel und hart. Die Analbürste „ist auch als allgemeine Massagebürste sehr gut geeignet. Es ist etwa so, wie wenn Sie hauchdünne Schokoladentäfelchen aus Zartbitter und Vollmilch übereinander legen und gleichzeitig essen. Die kurzen Borsten außen sind härter und die langen zur Mitte hin weicher. Beim Bürsten empfinden Sie also zart und hart gleichzeitig.“

Nachdem der Mitbegründer der Alternativen Liste bereits Heide Simonis als Bürstenfreundin und -dichterin gewinnen konnte – noch bevor ich an seiner Aussage zweifeln kann, überreicht er mir eine Faxkopie ihres Gedichts –, reizt es ihn, Namensvetter und Bundeskanzler Gerhard Schröder für seine Bürsten zu begeistern. Mit dem Namenszug auf der Analbürste sei die Bürste wie für Schröder gemacht und ideales Gastgeschenk auf Reisen, schmunzelt Schröder.

Ich kehre schließlich mit Kratz-, Gemüse- und Analbürste, mit Schröders Buch und Simonis’ Fax nach Hause zurück. Lesend lerne ich bei Heide Simonis die Freuden der Analbürste kennen: „Schröders Bürsten, die sind fein, / machen alle Löchlein rein. / Bürstet man so her und hin, / kommt mir manchmal in den Sinn: / Ach, was wär’ ich armes Würstchen / ohne Schröders schönes Bürstchen.“ Dies ist die wundervolle Analpoesie Schröder-gebürsteter Kimmen.

CLAUDIA ALDENHOVEN

Hinweis:Was ich zunächst für einen Scherzartikel halte, entpuppt sich als ernsthaftes Angebot

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