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Vorwahlkampf auf Ägyptisch

Präsident Mubarak schafft vor den Parlamentswahlen Menschenrechtler und Oppositionelle hinter Gitter. Internationale Proteste bleiben bislang folgenlos

BERLIN taz ■ Die Parlamentswahlen stehen zwar erst im November an, doch Ägypten bereitet sich schon jetzt intensiv auf den Urnengang vor: Menschenrechtler und Oppositionelle werden verhaftet und Parteien verboten. Nicht dass es Grund zur Sorge gäbe: Bei den letzten Wahlen gingen 97 Prozent der Sitze an regierungstreue Kandidaten.

Internationales Aufsehen hat das Regime mit der Festnahme des prominenten Soziologen und Menschenrechts-Aktivisten Saad Eddin Ibrahim erregt. Der 61-Jährige wird seit über einem Monat ohne Verfahren festgehalten. Der Vorwurf: Er habe illegal ausländische Spenden angenommen und das Bild Ägyptens im Ausland geschädigt. Inzwischen sind weitere Anschuldigungen bis hin zum Vorwurf der Spionage dazugekommen. Am meisten leidet Ägyptens Ansehen jedoch unter dem Verfahren: Der Fall Ibrahim wird zunehmend zu einer Belastung der ägyptisch-amerikanischen Beziehungen, denn der Professor hat neben der ägyptischen auch die US-Staatsbürgerschaft.

Die Ermittler stoßen sich vor allem an einem von der EU finanzierten Film über Wahlen in Ägypten, an dem das von Ibrahim geleitete Ibn-Khaldun-Zentrum für Entwicklungsstudien zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitete. Dabei berufen sie sich auf ein Gesetz, das es zivilgesellschaftlichen Organisationen verbietet, ohne Genehmigung der Regierung Spenden aus dem Ausland anzunehmen. Die EU-Vertretung in Kairo hat allerdings darauf hingewiesen, dass für sie eine Ausnahme von dem Gesetz bestehe.

Ibrahim ist mittlerweile zum Gegenangriff übergegangen: Bei einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft warf er dem Regime vor, mit seiner Festnahme solle die Arbeit einer unabhängigen Wahlbeobachtungs-Kommission unter seinem Vorsitz diskreditiert werden. Die Kommission hatte auf massive Unregelmäßigkeiten bei den letzten Parlamentswahlen hingewiesen, die später von Gerichten bestätigt wurden und zur Annullierung der Abstimmungsergebnisse in 80 Wahldistrikten führten. Zum Ärger der Regierung entschied am 8. Juli auch noch das Verfassungsgericht, dass Wahlen künftig nicht mehr von Regierungsbeamten beaufsichtigt werden dürfen, sondern ausschließlich von der Justiz.

Unterdessen hat in Kairo das Gerichtsverfahren um die Auflösung der Arbeitspartei begonnen. Deren Aktivitäten wie auch die ihrer Parteizeitung Al-Schaab sind seit Ende Mai aufgrund eines Beschlusses der quasi-staatlichen Parteienkommission suspendiert. Die Kommission wirft der Arbeitspartei vor allem Kontakte zur verbotenen, aber in der Vergangenheit vom Regime tolerierten islamistischen Muslimbruderschaft vor.

Die Bruderschaft, die die gemäßigte islamistische Strömung repräsentiert, berichtet seit Monaten praktisch täglich über Festnahmen ihrer Aktivisten. Die Maßnahmen dienen offenbar vorwiegend der Einschüchterung, denn die meisten Inhaftierten werden nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch eine kürzlich erlassene Änderung des Wahlrechts, die Vorbestrafte von politischen Aktivitäten ausschließt, ist offenkundig auf die Muslimbrüder zugeschnitten, die schon vor den letzten Wahlen immer wieder mit Prozessen überzogen wurden.

Wes Geistes Kind die derzeitigen Maßnahmen des Regimes sind, zeigt sich am besten daran, dass man dem Menschenrechtler Ibrahim ausgerechnet aus seinem geplanten Film einen Vorwurf macht: Der etwa zehnminütige Spot, der für das ägyptische Fernsehen konzipiert wurde, thematisiert die drängenden Probleme des Landes – schlechte Bildung, ein desolates Gesundheitssystem, fehlende Freiheiten. Er endet mit einem Aufruf an die Zuschauer, Verantwortung für die Zukunft des Landes zu übernehmen, indem sie sich an den Wahlen beteiligen. So viel Subversion muss einfach bestraft werden.

CHRISTOPH DREYER

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