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Pinochet vor Prozess

Noch werden Pinochets Anwälte versuchen, ein Verfahren gegen Chiles Ex-Diktator irgendwie zu verhindern. Doch die Aussichten dafür sind schlecht

BUENOS AIRES taz ■ Jetzt ist es amtlich: Die Immunität von Augusto Pinochet ist aufgehoben. Damit ist ein Prozess gegen den ehemaligen Diktator als mutmaßlichen Verantwortlichem der so genannten Todeskarawane möglich. Jetzt liegt es an dem Richter Juan Gúzman, gegen Pinochet den Prozess zu eröffnen. Doch zuvor muss er ein erneutes pychatrisches Gutachten für Pinochet anordnen, in dem geprüft wird, ob Pinochet geistig dazu in der Lage ist, einem Prozess zu folgen. Schon hier beginnt der Streit.

Zwar bliebe Pinochet ein Prozess erspart, wenn ein Psychiater ihm Wahnsinn attestieren würde, aber Pinochet scheint es vorzuziehen, als Märtyrer in den Ring zu steigen, statt als Wahnsinniger in die Geschichte einzugehen. Seine Anwälte wollen jetzt versuchen, ihn wegen seiners Alters und seiner diversen anderen Krankheiten für prozessunfähig zu erklären – allerdings sieht die chilenische Strafprozessordnung das nicht vor.

Pinochets Immunität ist nicht komplett aufgehoben. Der Richterspruch gilt nur für den Fall der Todeskarawane, die im Oktober 1973, einen Monat nach dem Militärputsch, Regimegegner in chilenischen Gefängnissen ermordete. Von 19 von ihnen fehlt bis heute jede Spur. Der General der Schreckenstruppe, Sergio Arellano Stark, war im vergangenen Jahr verhaftet worden. Die Klägeranwälte sehen jedoch Pinochet als Auftraggeber.

Auf dem Schreibtisch des Richters Guzmán stapeln sich weitere 156 Klagen gegen Pinochet. Für diese Klagen wurde Pinochets Immunität nicht aufgehoben, und es müsste in jedem Einzelfall erneut entschieden werden, ob die Beweislast ausreicht, um die Immunität Pinochets für diesen Fall aufzuheben.

Der chilenische Präsident Ricardo Lagos beteuerte erneut die Unabhängigkeit der Justiz in dem Fall. Auch die Streitkräfte müssten einen Richterspruch gegen Pinochet akzeptieren. Verteidigungsmisniter Mario Fernández sagte: „Man muss keine Art von Auftreten erwarten.“ Trotzdem fehlte der Chef der Streitkräfte, Ricardo Izurieta, am Montag bei einem offiziellen Mittagessen mit dem gewählten mexikanischen Präsidenten Vicente Fox. Es wird erwartet, dass ranghohe Militärs Pinochet noch heute besuchen, um ihm ihre Solidarität auszusprechen.

Große Zufriedenheit hingegen auf der Klägerseite. Gladys Marín, Generalsektretärin der Kommunistischen Partei Chiles, hatte im Januar 1998 die erste Klage gegen Pinochet eingereicht. „Damals schien es unmöglich, dass er einmal vor Gericht kommen wird, und ich dachte, dass dies niemals geschehen wird. Die Aufhebung seiner Immunität ist historisch für die chilenische Demokratie“, sagte Marín. INGO MALCHER

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